Gendern in den Medien
Keine Sprachverbote
Einer Meldung der Süddeutschen Zeitung zufolge wollen die CDU- und die SPD-Fraktion in Hessen in einem möglichen Koalitionspapier "festschreiben, dass in staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen wie Schulen, Universitäten und dem Rundfunk auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet werde". Nach Thüringen versuchen nun also auch im Nachbarland Hessen demokratisch gewählte Parteien, Journalist*innen in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorzuschreiben, wie sie zu sprechen und zu schreiben haben. Würde es so kommen, nimmt sich eine mögliche hessische Regierungskoalition vor, tief in die redaktionelle Freiheit einzugreifen und unser Grundgesetz mit Ansage zu missachten.
Fraktionen zweier Parteien, die sich in ihrem Wirken auf eben dieses Grundgesetz berufen. Das Grundgesetz ist die Grundlage unserer Gesellschaft, die sie zu schützen und zu pflegen angetreten sind.
Darin sind die Meinungsfreiheit ebenso wie die Presse- und Rundfunkfreiheit fest verankert. Sie stellt eine tragende Säule unserer Demokratie dar. Mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben wir in Deutschland einen von politischen und kommerziellen Interessen unabhängigen Journalismus, um den uns viele Länder beneiden. Zur journalistischen Unabhängigkeit besonders beim ÖRR gehört auch, dass die Medienhäuser frei entscheiden können, welche Sprache sie in ihren Artikeln und Beiträgen nutzen.
Das Regelwerk für unsere Sprache ist der Duden. Es ist nicht und darf niemals der persönliche Geschmack einzelner Politiker*innen sein.
In unserem Grundgesetz ist festgeschrieben, dass der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt. Auch im Pressekodex ist ein Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts enthalten. Sprache formt unser Denken. Sprache ist ein Werkzeug, mit dem wir einen kleinen Schritt in Richtung Inklusion und Diskriminierungsfreiheit gehen können. Ein Werkzeug, zu dem immer mehr Menschen aus Überzeugung freiwillig greifen. Freiwilligkeit ist der Kern fundierter Änderungen in Denken und Handeln.
Wie ist ein Sprachverbot mit Freiheit vereinbar? Wie ist es mit der redaktionellen Unabhängigkeit und der künstlerischen Freiheit vereinbar? Sprache ist ein lebendes Werkzeug. Sie verändert sich mit den Menschen, die sie nutzen. Sich dieser Veränderung zu verweigern, sie gar durch Verbote unterdrücken zu wollen, ist eine rückwärtsgewandte Angstreaktion. Wie kann der sich selbst als Fortschrittspartei bezeichnende Koalitionspartner SPD rechtfertigen, an dieser Stelle einen riesigen Schritt zurück gehen zu wollen?
Das höchste Gremium des Deutschen Journalisten-Verbandes, der Verbandstag, hat sich Anfang November in Magdeburg deutlich für ein Recht auf Gendern ausgesprochen. Der Verbandstag fordert Medienhäuser auf, ihren journalistischen Mitarbeitenden ein Recht auf Gendern einzuräumen. Das Recht, in Beiträgen selbst zu entscheiden, ob und wie sie eine gendergerechte Sprache verwenden.
Ein Recht zu gendern, das im Sinne der freien Entscheidung explizit keine Pflicht ist. Es steht den Sprachverboten und der Zensur, die die Politik in Thüringen und nun also auch in Hessen in den Blick nimmt, gegenüber. Denn Sprachverbote haben in einer demokratischen Gesellschaft nichts verloren.