Mathias Döpfner
Keine Konsequenzen, keine Entschuldigung?
Videobotschaft von Mathias Döpfner auf dem YouTube-Kanal von Axel Springer. Screenshot: DJV.
Mathias Döpfner, Springer-Chef und Vorsitzender des Verlegerverbandes BDZV diffamiert Journalistinnen und Journalisten. Bisherige Konsequenzen: keine. Das darf nicht so bleiben.
In dem Skandal um Julian Reichelt, den ehemaligen Chefredakteur der „Bild“, gibt auch Mathias Döpfner eine schlechte Figur ab. Der Chef des Axel Springer-Verlags – und damit auch von Julian Reichelt – ist darüber hinaus Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). Als solcher vertritt Döpfner 286 Tageszeitungen in Deutschland.
In der Berichterstattung über Reichelts Verfehlungen zitierte die „New York Times“ als erste eine Nachricht Döpfners an den Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre. Darin lobt der Springer-Chef Julian Reichelt, er sei "halt wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR Obrigkeits-Staat aufbegehrt." Auch schreibt er, die meisten anderen Journalistinnen und Journalisten seien zu "Propaganda-Assistenten" geworden. Axel Springer bestätigte die Echtheit der privaten Nachricht.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der oberste Repräsentant des Verlegerverbandes, für dessen Mitgliedsunternehmen tausende Journalistinnen und Journalisten tätig sind, unterstellt fast allen diesen Kolleginnen und Kollegen, Propaganda zu betreiben. Einer der Querdenker oder „Lügenpresse“-Rufer auf den Demos der letzten eineinhalb Jahre hätte es sich nicht schöner ausdenken können.
Überspitzt sei das gewesen, Ironie, Polemik, aus dem Zusammenhang gerissen, so Döpfner in einer Videobotschaft. Sich klar von diesen Narrativen aus Verschwörungserzählungen distanziert hat sich Döpfner in seiner Video-Ansprache nicht. Sich bei den herabgewürdigten Journalistinnen und Journalisten entschuldigt, nicht mal bei denen in den eigenen Medienunternehmen, erst recht nicht. Stattdessen freut er sich auf die neuen Kolleginnen und Kollegen von „Politico“ und seine Reise in die USA.
Das muss Konsequenzen haben. Die Stimmen, die Döpfners Rücktritt fordern werden lauter. Auch der BDZV-Vize, Madsack-CEO Thomas Düffert, hält mittlerweile nicht mehr mit Kritik hinter dem Berg. Der Verlegerverband muss sich schnell entscheiden, ob ein Präsident, der seine eigenen Kolleginnen und Kollegen derartig geringschätzt, noch tragbar, bzw. wortwörtlich noch zu ertragen ist. Aus Sicht Europas größter Journalisten-Organisation, die rund 30.000 Journalistinnen und Journalisten vertritt, kann die Antwort nur Nein sein, wenn Döpfner an seiner absurden Haltung festhalten sollte.
Der BDZV wird das bisherige und kommende Verhalten seines amtierenden Vorsitzenden selbst bewerten und bei Bedarf die richtigen Folgerungen ziehen. Als Gewerkschaft und Berufsverband der Journalistinnen und Journalisten in Deutschland brauchen wir einen Tarifpartner am Verhandlungstisch, der nicht durch interne Krisen gelähmt ist, sondern mit uns über die angemessene Vergütung journalistischer Arbeit sprechen kann. Denn die ist, wie in neuesten Studien wieder bewiesen, demokratietragend.
Aber auch als Springer-Chef muss sich Döpfner dringend und deutlich entschuldigen für die Herabsetzung der Journalistinnen und Journalisten als „Propaganda-Assistenten“. Noch wichtiger: Er müsste eigentlich auf Knien die Frauen um Verzeihung bitten, die in seinem Unternehmen gelitten und immer noch Angst haben. Denn er wusste von dem Treiben Reichelts sowie den toxischen Arbeitsbedingungen bei „Bild“, spätestens nach dem Compliance-Verfahren gegen Reichelt im Frühjahr dieses Jahres. Eine Entschuldigung wird aber bei weitem nicht ausreichen. Der Axel Springer-Verlag und der neue „Bild“-Chefredakteur Johannes Boie werden viel tun müssen, um das Arbeitsklima im Hause Springer im Sinne eines angstfreien, guten Journalismus zu modernisieren.
Und auch die „New York Times“ hat eine Entschuldigung Döpfners verdient, für den haltlosen Vorwurf der „einseitigen Berichterstattung“ über die Causa Reichelt & Döpfner. Wobei die Ironie des Vorwurfs kaum zu übersehen ist, immerhin geht es um die „Bild“. Sowieso scheint Döpfner ein seltsames Verhältnis zu seiner Zeitung zu haben, wenn er sich als Chef des Axel Springer-Verlags – und damit oberster Hierarch der „Bild“ – in seiner Videobotschaft beklagt, er lege Wert darauf, dass private Nachrichten privat seien, und dass „es nicht behandelt wird wie ein Zitat. Das ist doch eine Grenzüberschreitung.“ Das sagt der Mann ohne erkennbare Ironie, dessen „Bild“ vor einiger Zeit die Grenze überschritt, die WhatsApp-Nachrichten eines Kindes, dessen Geschwister gerade getötet wurden, zu veröffentlichen.
Ein Kommentar von Frank Überall und Paul Eschenhagen