Verdachtsberichterstattung
Journalisten dürfen für Berichterstattung auf Pressesprecher des Stasi-Beauftragten vertrauen
Bundesgerichtshof stärkt der Presse den Rücken
In der Zeit vom 8. bis 17. August 2004 berichteten sächsische Zeitungen in mehreren Artikeln über den Verdacht, ein Professor der Universität Leipzig, der auch Fraktionsvorsitzender der PDS im Sächsischen Landtag und Spitzenkandidat der PDS war, habe als langjähriger IM "Christoph" mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet und dabei insbesondere seine damalige Freundin und jetzige Frau bespitzelt. Der Politiker klagte auf Unterlassung der Berichterstattung und war vor Land- und Oberlandesgericht erfolgreich.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die entsprechenden Urteile des Landgerichts mit seinen Entscheidungen vom 11. Dezember 2012 aufgehoben und eine neue Verhandlung und Entscheidung vor dem Oberlandesgericht angeordnet. Neben Mängeln bei der logischen Begründung des Urteils ("verstößt gegen Denkgesetze") stellte der BGH fest, dass die Voraussetzungen für eine so genannte Verdachtsberichterstattung vorgelegen hätten. Die Begründung: Journalisten dürfen bei der Berichterstattung auf Aussagen des Pressesprechers des Stasi-Beauftragten vertrauen.
Der BGH im O-Ton: "Es hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass die Beklagten der Stellungnahme des Pressesprechers der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, den gefundenen Unterlagen sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Kläger als IM Christoph für den Staatssicherheitsdienst tätig gewesen sei, ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen durften. Bei dem Bundesbeauftragten handelt es sich um eine Bundesoberbehörde, der durch Gesetz die Aufgabe zugewiesen ist, die Stasi-Unterlagen auszuwerten und zu archivieren."
Urteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10
Michael Hirschler, hir@djv.de