Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

Hasspostings

Journalismus als Gegengift

13.01.2022

Häme, Hass und Hetze finden eine Heimat in den sozialen Netzwerken. Vergiftete Worte heute zahlen aber ein auf die Taten von morgen. Gut, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Druck auf den Messenger-Dienst Telegram erhöht, geltendes Recht einzuhalten.

Morddrohungen gegen Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und auch Journalist:innen sind auf Telegram an der Tagesordnung. Hassredner fühlen sich dort sicher vor staatlicher Verfolgung. Was sich manch einer in der Offline-Welt nicht trauen würde zu sagen, wird ohne Furcht vor Konsequenzen geäußert. Es entstehen dort Gärkammern, in denen sich schrille Minderheiten zusehends radikalisieren. Verschwörungsgläubige, Querdenker:innen, politische Extremist:innen - sie bestätigen sich dort selbst. Ja, sie glauben bisweilen sogar, die eigentliche Mehrheit zu sein. Bizarr. Gut, dass die Bundesregierung den Anspruch erhebt, dass auch Messenger-Dienste mit Sitz im Ausland keine rechtsfreien Räume bieten dürfen.
Einfach ist das alles freilich nicht: Zuletzt hohe Wellen schlug die Entscheidung der Videoplattform YouTube, die den Kanal "Achse des Guten" zeitweise sperrte, dessen Geschäftsmodell "auf Hetze und Falschbehauptungen beruht", wie die jetzige Kulturstaatsministerin Claudia Roth nach Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden rechtmäßig sagen darf. Mittlerweile sind Henryk M. Broder und Co dort wieder zu sehen. Dieses Hüh und Hott zeigt, wie unausgegoren das Vorgehen der Plattformen noch ist. Die Faktenchecker von Correctiv haben mit 80 anderen Organisationen einen Brief an die YouTube-Chefin geschrieben: "Wir sehen nicht, dass YouTube größere Anstrengungen unternimmt, um das Problem zu lösen. Im Gegenteil: YouTube lässt zu, dass seine Plattform von skrupellosen Akteuren als Waffe eingesetzt wird, um andere zu manipulieren und auszubeuten, sich selbst zu organisieren und Gelder zu sammeln."
Grundsätzlich darf es nicht sein, dass Firmen aus dem Silicon Valley Geld damit verdienen, dass sie in Deutschland Hass, Hetze und Desinformation einen sicheren Hafen bieten. Es braucht nachvollziehbare, transparente und gesetzeskonforme Wege, ohne dabei willkürlich die freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit zu behindern. Demokratie lebt von Meinungspluralismus. Hass aber ist keine Meinung, Desinformation das Gegenteil von Journalismus. Journalismus orientiert sich im Zweifel am Pressekodex, das Prinzip der Wahrhaftigkeit steht dabei ganz oben.
Wenn Hass aus dem Netz überschwappt und die Arbeit, Gesundheit und gar das Leben von Journalist:innen in Deutschland konkret gefährdet, muss sich der Berufsverband und die Gewerkschaft der Journalist:innen in Deutschland, der DJV, dafür stark machen, dass es mehr Schutz gibt. Mit seinem nun in Berlin vorgestellten Flyer etwa gibt es nützliches Werkzeug für die Praxis, wenn Querdenker und Co meinen, die grundgesetzlich geschützte Arbeit der Presse im Zweifel durch Gewalt zu behindern, weil man sich in eine Phantasiewelt verirrt hat, in der überall nur Gegner lauern bis auf die Heilsbringer in den eigenen Reihen.
Journalismus ist aber nicht nur durch Hass der Extremen auf der Straße und im Netz bedroht, er ist auf der anderen Seite ein Teil der Lösung. Nachrichten einordnen, Desinformation erkennen und entlarven, den Nutzer:innen einen Weg durch den Nachrichtendschungel weisen - es gibt einen Grund, warum manche sauer auf die gute Arbeit der Kolleg:innen in ganz Deutschland sind. Denn ihr Geschäftsmodell wird durch Journalismus gefährdet: Wo Verschwörungsunternehmer das Verhalten Leichtgläubiger mit intellektuellen Taschenspielertricks und Milchmädchenrechnungen monetarisieren wollen, wirkt Journalismus als Gegengift.
Deshalb ist der Schutz von Journalist:innen ein wichtiges Anliegen für die gesamte Gesellschaft: Der Kampf gegen Desinformation ist entscheidend für das Gelingen von Demokratie. Gut, dass die Bundesregierung sich dieser Aufgabe stellen will. Aber bitte rasch: Das Gift des Hasses wirkt schnell.
Ein Kommentar von Mika Beuster

Qualität im Journalismus Social Media DJV-Blog
Qualität im Journalismus Newsmeldung Social Media DJV-Blog

Weitere Artikel im DJV-Blog

Kennzeichnungen
Kennzeichnungen

20.11.2024

Werbung ist Werbung

Warum kennzeichnen Zeitungen und Zeitschriften kommerzielle Angebote nicht durchweg als "Werbung"? Stattdessen wird immer häufiger gern von "Verlagsangeboten" geschrieben - und dabei übersehen, dass d …

Mehr
Trump und die Presse
Trump und die Presse

15.11.2024

Zieht euch warm an

Alle vier Jahre grüßt das Murmeltier. Oder Donald Trump. Wer hätte gedacht, dass der Ex-US-Präsident noch einmal als Kandidat antreten wird? Und wer hätte gedacht, dass dieser Kandidat die Wahl gewinn …

Mehr
Koalitions-Aus
Koalitions-Aus

07.11.2024

Ende zur Unzeit

Das Ende der Ampelkoalition kommt für uns Journalisten zur Unzeit. Wichtige Gesetzesvorhaben liegen jetzt wieder auf Eis. Das Nachsehen hat die Qualität des Journalismus.

Mehr
US-Wahl
US-Wahl

05.11.2024

Despotie zum zweiten?

Heute entscheiden die Wählerinnen und Wähler in den USA darüber, wer für die nächsten vier Jahre ins Weiße Haus einzieht. Vom Ausgang der Wahl hängt viel ab - auch für die Journalistinnen und Journali …

Mehr
Wahlen
Wahlen

01.11.2024

Wie gut wir es doch haben

In den USA tobt wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl eine mediale Schlammschlacht. CNN und Fox News überbieten sich gegenseitig mit Polemiken über Kamala Harries und Donald Trump. Und in der Öffen …

Mehr
Journalistenbefragung
Journalistenbefragung

30.10.2024

So sind wir wirklich

Eine großangelegte Studie zum Journalismus in Deutschland hat die TU Dortmund durchgeführt. Rechtsextreme versuchen bereits, daraus Honig zu saugen.

Mehr
US-Wahlempfehlungen
US-Wahlempfehlungen

29.10.2024

Wo die Erde bebt

Weil die Washington Post auf Geheiß von Eigentümer Jeff Bezos keine Wahlempfehlung vor der US-Präsidentschaftswahl abgibt, laufen ihr die Abonnenten in Scharen davon. Der erste spektakuläre Fall, bei  …

Mehr
Ministerpräsidentenkonferenz
Ministerpräsidentenkonferenz

28.10.2024

In die Büsche geschlagen

Die Ministerpräsidenten haben mit ihren Entscheidungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor allem eines gezeigt: dass sie kein medienpolitisches Rückgrat haben. Blamabel.

Mehr
Tag der Entscheidung
Tag der Entscheidung

25.10.2024

Was muss noch passieren?

Heute beraten die Ministerpräsidenten über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Begleitet von Protesten der Kreativszene wollen die Länderchefs den Reformstaatsvertrag und damit das Aus f …

Mehr
Reformstaatsvertrag
Reformstaatsvertrag

24.10.2024

Online ohne Inhalte

Ein Teil des umstrittenen Reformstaatsvertrags ist der Versuch, die Presseähnlichkeit öffentlich-rechtlicher Digitalangebote ein für allemal zu unterbinden. Was das für die User bedeutet, hat die Tage …

Mehr
Journalismus
Journalismus

22.10.2024

Warum mache ich das - noch?

Das NDR-Medienmagazin Zapp hat eine beeindruckende Reportage über uns Journalisten und unser Umfeld gedreht. Eine Bestandsaufnahme mit Gruselfaktor.

Mehr
Gemeinnütziger Journalismus
Gemeinnütziger Journalismus

01.10.2024

Alles, nichts - oder?

Der gemeinnützige Journalismus braucht Rechtssicherheit. Warum das so ist, beschreibt Anne Webert, stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende.

Mehr
Christopher Street Day
Christopher Street Day

30.09.2024

Wie eine Frischzellenkur

Bei mehreren CSD-Paraden war der DJV in diesem Sommer aktiv dabei. Eine Bilanz zieht Christian Schäfer-Koch, Vorsitzender des DJV-Fachausschusses Chancengleichheit und Diversity.

Mehr
Christoph Maria Fröhder
Christoph Maria Fröhder

25.09.2024

Ein Top-Journalist ist tot

Im Alter von 81 Jahren ist der freie Fernsehjournalist Christoph Maria Fröhder gestorben. - Ein Nachruf von DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner.

Mehr
BDZV
BDZV

20.09.2024

Wir hätten da eine Idee, Herr Eggers

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) bekommt einen neuen Hauptgeschäftsführer. Womit Jörg Eggers Geschichte schreiben könnte.

Mehr
ZDF-Streik
ZDF-Streik

19.09.2024

Wo bleibt die Aktualität?

Heute streiken die Beschäftigten des ZDF für höhere Einkommen. Aufgerufen hat unter anderem der DJV. Der Sender hat bereits reagiert und den Zuschauern am frühen Vormittag eine Voraufzeichnung des ZDF …

Mehr
Rechtsprechung
Rechtsprechung

18.09.2024

Reizschwelle Hitlergruß

Zum berüchtigten Sylt-Video gibt es jetzt zwei Gerichtsurteile, die sich scheinbar widersprechen. Aber nur scheinbar. Für Medien wird jetzt vieles klarer.

Mehr
BSW-Parteitage
BSW-Parteitage

16.09.2024

Wir müssen leider draußen bleiben

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat tatsächlich zwei Landesverbände gegründet, als seien die Parteitage Kaffeekränzchen in der guten Stube. Ein schlechtes Omen für das Verfassungsverständnis der neuen P …

Mehr
BSW
BSW

11.09.2024

Die nächsten Mediennörgler

Die Süddeutsche Zeitung hat untersucht, wie es das Bündnis Sahra Wagenknecht mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hält. Das Ergebnis aus journalistischer Sicht: Prost Mahlzeit.

Mehr
Doku "Die große Angst"
Doku "Die große Angst"

10.09.2024

Gänsehautfaktor

"Die große Angst." So heißt eine Dokumentation des MDR über die gesellschaftliche Lage in Ostdeutschland, die das Erste am Montagabend gesendet hat: exzellenter Journalismus mit Gänsehautfaktor.

Mehr