Gefährliche Heuchelei
JD Vance in München

Was stimmt nun von dem, was JD Vance bei der Sicherheitskonferenz in München sagt? Der US-Vizepräsident sagte: „Wenn Menschen ihre Meinung äußern und man dafür bestraft wird, dann wird die Trump-Regierung genau das Gegenteil tun.“
Was die US-Regierung derweil macht: Eine Nachrichtenagentur verbannen, die nicht schreibt, was das Weiße Haus will - was von Journalisten richtigerweise als „Bestrafung“ verstanden wird, Wissenschaftlern verbieten, bestimmte Wörter zu benutzen oder Themen aufzugreifen. Wer nach einem Wort sucht, wie man eine Person bezeichnet, die das eine sagt und das andere tut, stößt auf den griechischen Begriff „Hyporkites“. „Hypocrite“ sagen die Amerikaner, Heuchler, sagen wir in Deutschland. Also sagen wir, wie es ist: Der US-Vizepräsident stimmt hier eine gefährliche Heuchelei an, die - wie die New York Times es bezeichnet, ein Angriff auf die in der US-Verfassung garantierte Pressefreiheit ist.
Das Ziel von Trumps Vize ist offensichtlich: Den Eindruck erwecken, man dürfe in Deutschland nicht mehr alles sagen. Er warnt zudem davor, die Sozialen Netzwerke stärker zu regulieren - oder zu „zensieren“, wie Vance meint. Was gemeint ist: Dass sich die Netzwerke an in Europa geltendes Recht halten müssen. Dass es den wirtschaftlichen Interessen der Eigentümer, also jener Milliardäre des Silicon Valley, die wie Elon Musk mit seinem Hass-Netzwerk „X“ direkt im Oval Office neben Trump als Einflüsterer stehen, nicht zuträglich ist. Denn sie müssten investieren, in menschliche Moderation von Beiträgen, es müssten mühsam Hass, Hetze, Häme und Desinformation entfernt werden. Das kostet Geld, Lohn - und es kostet Reichweite. Denn Hass lohnt sich für die Silicon-Valley-Milliardäre - pure Emotionen klicken besser als Vernunft.
Dass Vance, Trump und Musk von totaler Redefreiheit sprechen, kann derweil nur als zynischer Witz verstanden werden. Wie weit Musks Vision der absoluten Redefreiheit reicht, konnten schon viele Erfahren, die auf „X“ versucht haben, den Tech-Mogul zu kritisieren. Und Trump lässt seinen Zorn all jene spüren, die ihm nicht ausreichend huldigen - eine sehr verquere Sicht der Redefreiheit. Dadurch wird deutlich, was Vance, Trump und Co. wirklich meinen - und was sie mit ihren geistigen Verbündeten, den Rechtspopulisten - Extremisten wie etwa der AfD, gemeinsam haben. Meinungsfreiheit ist für sie die Freiheit, unwidersprochen sagen zu können, was sie meinen. Widerspruch ist Aufgabe von Journalismus. Deswegen geraten Journalistinnen und Journalisten derzeit auch so sehr ins Fadenkreuz der Großmäuler und Populisten. Das dürfen wir ihnen nicht durchgehen lassen. Das verbale Gift, das Vance in München versucht zu streuen, müssen wir erkennen und benennen. Wir dürfen es nicht dazu kommen lassen, dass dieses Narrativ in Deutschland verfängt. Sonst freuen sich andere - und die sitzen dann im Weißen Haus, im Kreml und in der Großen Halle des Volkes.
Ein Kommentar von Mika Beuster