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Leistungsschutzrecht

Irrfahrten mit dem Taxi: Fastfood-Verleger, Google und das Urheberrecht

20.02.2013

Wer glaubt, die Auseinandersetzung zwischen den Monopolisten der modernen Medienwirtschaft könnte nicht noch eine Stufe niedriger gelegt werden, irrt sich stets aufs Neue.


Erinnern wir uns. Nachdem der Netzmogul aus Seattle mit seiner Kampagne „Verteidige Dein Netz“ begonnen hatte, konterte die deutsche Verlagspublizistik mit sage und schreibe Imperialismus-Vorwürfen gegen die US-amerikanische Firma, als ginge es (erneut) um die Verteidigung des Atlantikwalls.

Jetzt schaltet die Firma, die sich zugleich damit brüstet, ihr Netz-Verteidigungsvideo sei millionenfach angesehen worden (und damit ihren Monopolistenstatus ironischerweise gleich einmal wieder bestätigt), Anzeigen, in denen sie den „elektischen Reporter“ Mario Sixtus als Kronzeugen beziehungsweise Werbeträger nutzt, mit dessen Aussage, ein Verleger-Leistungsschutzrecht (=Abgaben für Google News oder die Google Suchmaschine) sei wie ein Restaurant, dass von Taxifahrern Geld dafür verlange, dass es ihm Kunden bringe.

Dass der Journalist selbst kein Problem damit zu haben scheint, dass seine Worte und Positionen so unkritisch gegenüber Google sind, dass sie vom Netzmonopolisten als Werbung genutzt werden können, wäre dabei ein Thema für sich. Allerdings wird man aus betriebswirtschaftlicher Warte bestätigen können, dass es heutzutage für freiberufliche oder gewerblich tätige Medienmenschen sicherlich gewinnbringender ist, auf die Karte der Netzwirtschaft statt die der Verlage zu setzen. Selbst die Taliban setzen ja bekanntlich auf Machtgewinn durch Bekenner- und Agitationsvideos per Netz, statt etwa Printverlage zu gründen.

Die Verlagsseite selbst kontert auf die Bildwelt von Sixtus & Seattle mit dem umfassenden Argument, Google sei faktisch die Taxizentrale und deswegen müsse gezahlt werden.

In der Debatte, in der auf beiden Seiten mit der Inbrunst von Glaubenskriegern gekämpft wird,  weil es um milliardenschwere, monopolistische Machtpositionen in der  Netz- und Medienwirtschaft geht, bleiben naturgemäß diejenigen außen vor, die beim Taxi- und Restaurantgeschäft die eigentlich Arbeit haben.

Die Rede ist - sorry - von jenen Heinzelmännchen, die für wenige Euro Taxi fahren bzw. in „Küche“ und „Service“ arbeiten. Gemeint sind die (immer schlechter entlohnten) Redakteure und schon immer grottenschlecht bezahlten freien Autoren. Um sie geht es in der Debatte nicht. Der Vorschlag, die Journalisten in vernünftiger Weise am Geschäft von Google und Verlegern zu beteiligen, spielt sichtlich keine Rolle.

Dabei wollen die Autoren bekanntlich Geld von zwei Seiten: Nicht nur von Google (über eine Beteiligung an einer Abgabe), sondern auch von den Verlagen, die den Autoren bereits 2010 die Zahlung von Honoraren auf Grundlage von Vergütungsregeln zugesagt haben.

Doch die Verlage halten sich seit 2010 praktisch flächendeckend nicht an unterschriebene, rechtlich gültige Regeln. Im Übrigen bauen sie ihre „Restaurants“ zunehmend zu schlanken oder virtuellen (Westfälische Rundschau, wo die gesamte Mitarbeiterschaft heraus geworfen wurde) Fastfood-Buden um, in denen Qualität und ordentliche Bezahlung ohnehin nicht mehr vorgesehen sind.

Investitionen in zukunftsträchtige Netzprojekte und digitale Plattformen haben die deutschen Verlage über Jahrzehnte unterlassen. Über lange Jahre verweigerten manche Verlagsgeschäftsführungen ihren Redaktionen sogar einen Internetanschluss. Bis heute arbeiten Onlinejournalisten in vielen Häusern als fünftes, schlecht bezahltes Rad am Wagen, mit exorbitanten Arbeitszeiten und Engagement, aber weit unterhalb von Tarif und ohne ausreichende Budgets. Wer für solche Onlineredaktionen frei arbeitet, erfährt schnell, dass aufwändige Video- oder Multimediaproduktionen nicht erwünscht sind, weil kein Geld dafür ausgegeben werden darf.

Nicht unterschlagen werden darf allerdings ein zarter Unterschied: Während die Verlage oft genug Hungerhonorare zahlen, spart sich Google überhaupt jede Vergütung für seine Nutzungen. Dass Google Beiträge nutzt, können dabei nur Blinde leugnen. Selbstverständlich braucht (und nutzt) Google News und die Suchmaschine journalistische Beiträge, um die Suchqualität zu gewährleisten. Die Art und Weise, wie beispielsweise die Google Bildsuche mit Urheberrechten umgeht, wird inzwischen (unabhängig von der Leistungsschutzdebatte) in einer eigenen Initiative (verteidige-dein-bild.de) kritisiert.

Verlage zahlen Autoren schlecht, Google zahlt gar nichts. Grund genug (natürlich), Google irgendwie zur Kasse zu bitten. Aber mit einem System, bei dem die Autoren mitbestimmen können, also einer Verwertungsgesellschaft von Verlagen und Autoren.

Doch die Autoren haben wenig zu erwarten. Sollte Google (in letzter Minute) Deals anbieten, dann ausschließlich mit den Verlagen, wie unlängst in Frankreich geschehen. Die französischen Journalistengewerkschaften protestierten scharf gegen die Vereinbarung, die den Verlagen über drei Jahre Geld für Digitalprojekte aus der Tasche von Google zusagt, aber keinerlei Beteiligung der Journalisten vorsieht.

Wer auch immer am Taxifahren verdient, die (oft genug freien) Fahrer oder Mitarbeiter der Restaurants werden es wohl nicht sein.


Michael Hirschler. hir@djv.de

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