Webportale
In sechs Wochen zum Redakteur
Mehrere Landesmedienanstalten mahnen journalistische Sorgfalt bei einigen Netzportalen an. Gut so. Wo Journalismus die Begleitmusik zur Werbung für Katzenfutter ist, ist Qualität ein Fremdwort.
"Keine Angst, Journalismus ist ganz einfach. Du bekommst sechs Wochen Einführung und dann bist du fit." Der Teamleiter verbreitete gute Laune unter den Neuen. Der Ort: der Innenhof eines Bürokomplexes in Berlin-Mitte vor der Corona-Pandemie. In dem modernen Bürogebäude hat unter anderem ein großes Portal seinen Sitz, das einer Werbefirma gehört. Deren womöglich größter Kunde ist ein Telekommunikationsanbieter. Und hier sind auch noch etliche andere IT-Firmen beheimatet, darunter ein Spieleentwickler.
Dass sich solche Unternehmen auf ihren Webseiten gern mit ein bisschen Journalismus schmücken, der zum ansonsten kommerziellen Angebot passt, ist nicht neu. So wird die Verweildauer auf den Seiten erhöht und etwas fürs Image getan, glauben diese Firmen. Das gilt aber nur, wenn niemand allzu genau hinsieht. Sechs Wochen Fitnesstherapie für den Start in den Journalismus bringen's nun mal nicht. Da bleibt die Sorgfalt gern auf der Strecke.
Das war der Grund für die Mahnschreiben, die in diesen Tagen mehrere Landesmedienanstalten verschickt haben. Die Adressaten: Portale, die auch journalistische Angebote auf ihren Seiten posten. Sie werden darüber aufgeklärt, wie Medien mit Quellen umzugehen haben und dass Fotos nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden dürfen. Also über solche Sachen, die ein Volontär in seiner Ausbildung lernt - vielleicht noch nicht in den ersten sechs Wochen. Aber danach bestimmt. Schade, dass solche blauen Briefe überhaupt nötig sind.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner