Berufsbild
Immer wieder in der Diskussion - Journalisten, die PR machen
PR für Russland führte zu Ende einer freien Mitarbeit
Neueinsteiger im Berufsfeld Journalismus, branchenfremde Personen und besonders kritische Zeitgenossen runzeln immer wieder die Stirn: Wie können Journalisten in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig werden, als Produzenten von Pressemitteilungen, Moderatoren von Firmenveranstaltungen bis hin zu Autoren von Werbebeilagen in den Medien?
Ältere Kollegen, Brancheninsider und etwas abgeklärtere Beobachter wissen, dass die Nähe zwischen Journalisten und Öffentlichkeitsarbeiter, zwischen Kritiker und Bekenner, nahezu unvermeidlich ist. Denn Journalisten arbeiten sich oft über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, in ihre Fachthemen ein, wissen oft mehr als mancher Fachmann, manche Fachfrau. Darüber werden sie, ob sie es wollen oder nicht, zum Anwalt ihres Themenbereichs. Der Journalist, der über Bundespolitik berichtet, ist nahezu unvermeidlich vom Sinn nationalstaatlicher Bundesregierungen überzeugt, der Umweltjournalist fast immer davon, dass Umweltpolitik Sinn macht. Ein Reisejournalist wird gleichermaßen praktisch immer davon überzeugt sein, dass Reisen vernünftig ist und wird nicht - angesichts weltweiter Armut - dazu aufrufen, zu Hause zu bleiben und das vorgesehene Reisebudget besser den letzten Revolutionären in den verarmten Regionen dieser Welt zur Verfügung zu stellen.
Der Journalist als Anwalt seines Themengebiets ist für viele Institutionen sehr attraktiv. Wechselt er in die Rolle des Presse- und Öffentlichkeitsarbeiters, steht sein Engagement außer Frage, hinzu kommt die genaue Kenntnis der jeweiligen Verhältnisse bis hin zu den üblichen Sprachregelungen.
Kein Wunder also, dass seit jeher - nicht etwa erst seit einigen Jahren - der Journalist zum Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter wird. Zahllose deutsche Regierungssprecher waren vorher als Redakteure bundes- oder landespolitisch unterwegs, viele Mitarbeiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit haben jahrelang in Redaktionen gearbeitet. Der Deutsche Journalisten-Verband sieht Presse- und Öffentlichkeitsarbeiter daher sogar als reguläre Journalisten an, organisiert sie mit gleichen Rechten wie Redakteure als Mitglieder und hat ein eigenes Gremium für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, dass den Bundesvorstand berät und an den maßgeblichen Sitzungen und Tagungen im Verband, Gesamtvorstand und Verbandstag, durch den Vorsitzenden des Gremiums als ordentliches Mitglied vertreten ist.
Doch nicht nur als Etappe der beruflichen Karriere, sondern auch nebenbei wird Presse- und Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Der Redakteur, Anwalt und Meister seines Themengebietes, wird so als Berater, als Moderator oder als Ausbilder in den verschiedensten Gebieten aktiv. Es wäre dabei weltfremd zu behaupten, dass die mitunter lukrativen Nebenjobs nicht doch eine Auswirkung auf das Agieren im Hauptjob haben können, dass das Verständnis für die Politik einer Partei oder das Handeln einer Firma nicht stark und einseitig wächst, wenn ständig für sie gearbeitet wird.
Natürlich müssen Medien auch befürchten, dass die Nebenjobs und Engagements ihrer Journalisten die Neutralität ihres Mediums in den Augen des Publikums in Frage stellen. Manche Arbeitgeber regeln solche Aktivitäten daher inzwischen durch klare arbeitsvertragliche Regelungen, sehen beispielsweise eine Anzeige- und Genehmigungspflicht vor. Solche Regelungen gibt es nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Freie.
Generell gilt bei den meisten Journalisten das Prinzip, dass journalistisch-redaktionell nicht über Auftraggeber berichtet wird, für die gleichzeitig Presse- und Öffentlichkeitsarbeit betrieben wird. Ein generelles Verbot, nicht einmal im gleichen Themengebiet zu berichten, scheidet dagegen praktisch aus, weil die thematische Kompetenz gerade der Grund ist, warum Journalisten in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gesucht werden. Der Reisejournalist als Moderator einer Diskussion über Finanzprodukte wäre zwar sicherlich unterhaltsam, aber eben die falsche Besetzung. Themenkompetenz ist für Moderationstätigkeiten ziemlich hilfreich.
Aktuell wird der Fall eines Russlandskorrespondenten debattiert, der für Zeit Online journalistisch-redaktionell gearbeitet hat, für eine Zeitungsbeilage dagegen redaktionell gefasste PR-Beiträge redigierte. Diese Beilage wurde im Auftrag der russischen Regierung zahlreichen renommierten Zeitungen beigelegt, um das Bild der russischen Regierung zu verbessern. Hier stellt sich natürlich unter Anlegung der oben genannten Kriterien das Problem, dass die russischen Regierung in der Russischen Föderation eine sehr starke Stellung hat, die Medien durchweg reguliert und zugleich Zivilgesellschaft ebenfalls stark bestimmt. Sie ist damit ein Akteur, der in fast allen Themengebieten aktiv ist, über die berichtet werden kann. Wenn der Autor natürlich vor allem für deutsche Reisemagazine berichten würde, wäre das sicherlich noch kein wirkliches Problem. Geschichten vom Camping in der Taiga sind sicherlich nicht deswegen kompromittiert, weil einige Sätze über die russische Regierungspolitik aufpoliert wurden. Der Autor berichtet aber gerade über die Politik der Regierung der Russischen Förderation.
Weil der Autor über seinen Auftraggeber zugleich journalistisch-redaktionell berichtet, erscheint der Fall klar: Eine solche Doppelung geht nicht. Die Beendigung der Zusammenarbeit erscheint unvermeidlich, um die Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zu behaupten, zumal hier auch schon Kritik in Fachkreisen geäußert wurde, konkret einem Vorstandsmitglied von "Netzwerk Recherche", selbst ein öffentlichwirksamer Verein von Journalisten. Natürlich muss eine Redaktion solche Kritik durchaus ernst nehmen.
Ein Gegenargument könnte sein: Diese Beilage ist pille-palle, kein ernsthafter Leser würde sich durch solche einfachen Pamphlete überhaupt beeinflussen lassen, sie landen ohnehin in der "Ablage P". Eine Mitarbeit bei einer letztlich unbedeutenden Werbebeilage könne unmöglich für eine Beeinflussung des Reporters sorgen und keinen ernsthaften Branchenbeobachter aufregen.
Und muss nicht vor allem berücksichtigt werden, dass diese scheinbar neutrale Beendigung der Mitarbeit in einem hoch problematischen Umfeld erfolgt? Ist es nicht so, dass ein Großteil der deutschen Medien derzeit jegliche journalistische Prinzipien verloren zu haben scheint und nur noch mit wenig Distanz die Positionen von Bundesregierung, GRÜNEN und FDP übernehmen und zur Härte gegen Russland aufruft? Handelt es sich bei der Entlassung des Mitarbeiters damit nicht in Wirklichkeit um eine Bestrafung eines Reporters, der ein wenig neutraler berichtet haben mag als der Großteil der Medien? Würde die Empörung genau so groß sein, wenn der Journalist Aktivist einer Nichtregierungsorganisation wäre, die gegen Russland Front macht?
Muss nicht weiterhin berücksichtigt werden, dass der Verlag der ZEIT in vielen Bereichen mit Institutionen des deutschen und anderer Staaten, mit Firmen und vielen anderen Interessenvertretern, ja möglicherweise selbst GAZPROM zusammenarbeitet? Dass der Online-Dienst des Verlags mit Anzeigen jeglicher Art gepflastert ist? Dass das Logo von GAZPROM auf den Trikots von Schalke oder in Stadien ganz selbstverständlich in den redaktionellen Fotos von manchen deutschen Medien zu sehen ist? Will man wirklich einmal mit der Ermittlung anfangen, welche Medienkooperationen deutscher Verlagshäuser es in der Russischen Föderation so gibt und wer da alles in Wirtschaftsforen und sonstigen zwischenstaatlichen Veranstaltungen als bezahlter Moderator auftritt?
Der Vorwurf lautet hier von vielen Seiten: Bigotterie, Heuchelei - ein freier Journalist muss gehen, weil an ihm, der überhaupt keinen sozialen Schutz hat und nur wenig - hier: 150 Euro - erhielt, schnell ein scheinbares Exempel statuiert werden kann. Alle anderen machen ihre hoch lukrativen Verlagsgeschäfte weiter. Und während die einen - obwohl doch Journalisten - so gut wie keine Distanz gegenüber der Bundesregierung und der EU erscheinen lassen, muss ausgerechnet derjenige gehen, der ein wenig differenzierter berichtet. Aus der Ukraine scheint bei deutschen Medien im Moment nur noch massive Parteinahme gefragt, kaum einmal ist zu hören, dass ein nicht unbedeutender Teil der Maidan-Bewegung und der neuen ukrainischen Regierung Rechtsradikale sind, die in Deutschland nicht einmal in Talkshows eingeladen würden.
Muss aber wiederum umgekehrt nicht berücksichtigt werden, dass die Regierung Putin jegliche kritische Medien in den letzten Jahren mundtot gemacht hat, dass kritische Sender geschlossen oder über Firmenkäufe auf Linie gebracht wurden, dass es zahlreiche Morde an Journalisten gab, die nie aufgeklärt wurden? Dass zuletzt der Ton in den Medien der Russischen Föderation so auf Kurs gebracht wurde, dass nicht nur einige Mitarbeiter des Auslandssenders RT.com kündigten, sondern mittlerweile auch die Mitarbeiter des Online-Dienstes Lenta.ru? Dass gerade eben die Chefredakteurin von Lenta.ru abgesetzt wurde, weil sie zu wenig auf Linie war? Es sich also gerade Journalisten verbietet, in irgendeiner Weise gegen Entgelt für die Regierung der Russischen Föderation tätig zu werden? Anna Politkovskaja, schon vergessen?
Eine einfache Antwort auf diese Fragen gibt es nicht, denn auch die politische Lage in der Russischen Föderation und der Ukraine ist hochkompliziert und kann nicht mit Schwarz-Weiß-Schemas geklärt werden.
In jedem Fall gibt es keinen Anlass, die Debatte zu bedauern. Sie scheint vielmehr richtig und wichtig. Es ist an sich richtig, wenn Medien Wert auf Distanz legen und sich gegen die Verquickung von Journalismus und PR wenden.
Wenig schön erscheint in jedem Fall der Umstand, dass sich nunmehr unter dem letzten Beitrag des Korrespondenten der Zusatz findet: "Offenlegung: Der Autor arbeitet für die vom russischen Staat mitfinanzierte Zeitungsbeilage Russland heute. Dies entspricht nicht unseren Grundsätzen. Wir entschuldigen uns dafür."
Dieser Zusatz, zumindest ab Satz 2, erscheint wie eine Brandmarkung des Beitrags und auch des Autoren - es ist sogar fraglich, ob es urheber- und vertragsrechtlich für eine Redaktion überhaupt zulässig ist, eine solche Distanzierung unter einem Beitrag zu veröffentlichen. Zumal auch bei anderen Autoren, Redakteuren oder Herausgebern, wenn diese sich zu Wort melden, solche Zusätze fehlen dürften.
Am besten wäre es sicherlich, wenn die Medien angesichts dieser Debatte die eigene Berichterstattung, aber auch den Umgang mit abweichenden Positionen überprüfen würden. Und dabei dem freien Kollegen, der jetzt geschasst wurde, auch wieder die Chance geben würden, die er verdient. Denn frei zu arbeiten, gerade im Ausland, ist heute mangels geringer Honorare und wenig Nachfrage eine besondere Herausforderung. Denn es braucht sicherlich nicht weniger, sondern mehr Autoren, die differenziert von vor Ort berichten.
Michael Hirschler, hir@djv.de