Beruf
Honorare und Konditionen für Virtual-Reality-Journalisten
Eine Skizze über Fragen eines neuen Berufsfelds
Journalistische Beiträge, bei denen sich die Medienkonsumenten an virtuellen Orten bewegen können, gibt es bereits längere Zeit. Schon vor mehr als einem Jahrzehnt gab es anspruchsvolle Projekte, angebunden an Online-Seiten von Medienhäusern. Auch in der virtuellen Welt „Second Life“ waren vor Jahren zahlreiche Medien aktiv.
Aktuell kann allerdings ein deutlicher Schub in der Entwicklung des „Journalismus der virtuellen Realität“ (VR-Journalismus) beobachtet werden. Auslöser dafür sind neuartige Brillensysteme, in die zum Teil auch ganz einfach das eigene Smartphone eingelegt werden kann. Das Gefühl der Anwesenheit in der dargestellten Szenerie wird dadurch deutlich authentischer.
Medien setzen den VR-Journalismus für Erklärstücke ein, aber gibt es zunehmend Fälle, in denen von echten Ereignissen berichtet wird. So war es beispielsweise bei der New York Times möglich, virtuell an spontanen Versammlungen von Pariser Jugendlichen nach den Anschlägen von November 2015 teilzunehmen, auf denen diese mit Gitarre trotzig gegen den Terror „ansangen“.
Ob der VR-Journalismus ein relevantes Geschäftsfeld für freie Journalisten sein wird, lässt sich schwer einschätzen. Grundsätzlich ist zu vermuten:
- Besonders Rundfunkanstalten werden hierzu Aufträge erteilen. Hierbei wird ein Teil der Freien direkt mit Redaktionen zusammenarbeiten können und über die Rundfunkanstalt auch an das notwendige Equipment oder ein komplettes Team von VR-Produzenten gelangen können, das die Freien unterstützt. Hier wird sich der Tagessatz der Freien an denen anspruchsvoller TV-Produktionen orientieren und durchaus Werte oberhalb von 400 Euro am Tag erreichen können.
Ein anderer Teil der Aufträge an Rundfunkanstalten wird von Produktionsfirmen erledigt werden, wenn die Anstalt oder deren jeweilige Abteilung von einer Eigenproduktion absehen. Hier werden Freie also entweder selbst eine Produktionsfirma gründen müssen oder im Auftrag einer solchen Firma tätig werden. Wer für Produktionsfirmen arbeitet, wird vermutlich mit Tagessätzen ab 300 Euro rechnen können. Wer selbst als Produktionsfirma arbeitet, wird gegenüber dem Sender oder der jeweiligen Sendung pro abgelieferter Produktion bezahlt werden. Je nach Aufwand sind hier Honorare denkbar, die 20.000 Euro und mehr betragen.
- Als weiterer interessanter Arbeitsbereich kommen die großen Privatsender und die mit diesen verbundenen Online-Auftritte in Betracht. Dort wird die Mitarbeit allerdings in der Regel nur über Produktionsfirmen möglich sein. Die Honorare für Produktionen dürften hier ebenfalls frei verhandelbar sein.
- Im Bereich des „klassischen“ Online-Nachrichtenjournalismus ist anzunehmen, dass dort grundsätzlich Interesse an VR-Beiträgen bestehen wird, allerdings keine ausreichenden Etatmittel bereitgestellt werden. Hier ist anzunehmen, dass Redaktionen vielleicht allenfalls 200 Euro Tagessatz bieten und für VR-Produktionen nicht einmal 1.000 Euro zahlen wollen. Es sind damit Kunden, die in der Regel zu meiden sind.
- In den Onlineportalen rund um Publikums- und Fachzeitschriften kann es sein, dass hier erheblich intensiver investiert wird, um das werbewirtschaftlich interessante Publikum dieser Zeitschriften zu binden und zugleich neue Räume für Werbung zu erschließen. Diese Portale werden keine eigenen Produktionsteams aufstellen, allerdings Abnehmer für anspruchsvolle VR-Welten sein können. Hier sind wieder Honorare denkbar, die denen der Rundfunkanstalten und der Privatsender entsprechen. Freie gründen hier entweder selbst eine Produktionsfirma oder arbeiten für diese.
- Es werden sich journalistische Medien neuer Art entwickeln, in denen im Wesentlichen VR-Beiträge laufen. Hier lohnt es sich sicherlich, den Aufbau eines solchen Angebotes in Betracht zu ziehen. Wer dagegen VR-Nachrichtenportalen selbst Beiträge zuliefert, wird mit Honoraren oder Vergütungssystemen rechnen müssen, die denen des „klassischen Onlinejournalismus“ entsprechen oder sogar noch darunter liegen, da diesen Portalen gerade in den ersten Jahren die ausreichende wirtschaftliche Unterfütterung fehlen wird. Das liegt natürlich auch daran, dass es im Internet, gerade auch durch YouTube, starke Konkurrenz für solche Portale gibt.
- Im Bereich des Corporate Publishing wird besonders stark in VR-Beiträge investiert werden. Damit die Besucher dieser „Firmenwelten“ nicht durch plumpe Werbung abgeschreckt werden, kommt es zur Verwendung journalistisch ansetzender VR-Beiträge, die sich im Themenkreis der jeweiligen Auftraggeber bewegen. Auch hier werden die Firmen, öffentlichen Einrichtungen oder Verbände keine eigenen Produktionsteams vorhalten, sondern nur mit Produktionsfirmen zusammenarbeiten, gegen Beitragshonorare. Freie gründen auch hier entweder die eigene Produktionsfirma oder arbeiten dieser zu. Die Beitragshonorare werden frei verhandelbar sein und oft auch deutlich über 50.000 Euro betragen können. Tagessätze bei solchen Produktionsfirmen können zwischen 700 – 2.000 Euro betragen.
Ausrüstung und Kalkulation
Freie VR-Journalisten, die ihr eigenes Equipment einsetzen, müssen kostenträchtige Investitionsentscheidungen fällen, die bei 300 Euro für einfachste Aufnahmegeräte starten und bei Profigeräten auch Summen von um die 15.000 Euro erreichen. Wer in der ersten Liga spielen will und zugleich sein eigenes Produktionsbüro aufsetzen will, wird Billiggeräte nicht einsetzen können. Mit Ersatzgeräten und Zusatzmodulen wird die Gesamtsumme der Investitionen vermutlich noch einmal erheblich höher ausfallen.
Um diese Kosten wieder hereinzuspielen, müssen die Tagessätze in jedem Fall höher sein als bei Freien, die nur in Person vor Ort oder in der Redaktion sein müssen, aber keine Ausrüstung brauchen. Im Regelfall wird ein VR-Journalist davon ausgehen müssen, dass 50 Prozent seiner Honorareinnahmen von Betriebsausgaben aufgefressen werden - das wird auch bei der Kalkulation der Tagessätze eine Rolle spielen. In der Regel wird ein einzeln arbeitender VR-Journalist einen Tagessatz von mindestens 700 Euro kalkulieren müssen. Tagessätze, die darunter liegen, wercen nur dann akzeptabel sein können, wenn der Auftraggeber die Ausrüstung stellt.
Urheber- und Persönlichkeitsrechte beachten
Wer VR-Beiträge produziert, bei denen sich die Nutzer in einer echten, aufgezeichneten Welt bewegen, muss sich mit zahlreichen Rechtsfragen befassen. Dabei spielt auch eine Rolle, ob VR-Beiträge als aktuelle Pressebeiträge oder aber als gewerbliche Nutzungen zu betrachten sind.
Ein Beispiel: Wenn ein urheberrechtlich geschütztes Kunstwerk in der Wohnung eines Prominenten im VR-Beitrag zu sehen ist, kann das ohne Genehmigung des Urhebers zulässig sein, wenn der Beitrag als tagesaktuelle Berichterstattung einzustufen ist. Falls der VR-Beitrag nun aber als dauerhaftes Informationsangebot über Prominente im Netz stehen würde, könnte der Urheber des Kunstwerks hier eine ungenehmigte Nutzung sehen. Das gilt selbst dann, wenn der ursprünglich aktuelle VR-Beitrag in das Archiv gewandert ist, darüber aber noch online abrufbar bleibt.
Probleme mit Urheberrechten gibt es dabei nicht nur mit Gemälden, sondern auch mit geschützten Tapetenmustern bis hin zum Urheberrecht des Architekten. Dieser muss zwar dulden, dass ein von ihm gestaltetes Haus ohne Genehmigung und Honorar von Außen aus Passantenperspektive fotografiert und auch kommerziell verwertet werden darf, - geht es aber um das Innere des Gebäudes, kann er unter Umständen schon ein Verbot aussprechen. Weitere Fragen könnten aufkommen, wenn der Eigentümer eines Hauses geltend macht, der Mieter hätte die Produktion ohne Genehmigung in der Wohnung erlaubt.
Auch Persönlichkeitsrechte können ein juristisches Minenfeld sein. Während die Rechtsprechung den Medien die Nutzung von Fotos oder Videos von Personen bei Ereignissen der Zeitgeschichte und auf Veranstaltungen im öffentlichen Raum erlaubt, stellt sich die Frage, ob diese Grundsätze auch für VR-Beiträge gelten. Abgebildete Personen könnten beispielsweise geltend machen, in bestimmten VR-Produktionen nicht zum Zweck der öffentlichen Berichterstattung abgebildet zu werden (was in der Regel zulässig wäre), sondern dort als Objekte der Belustigigung und mithin kommerziell genutzt zu werden (was in vielen Konstellationen genehmigungsbedürftig wäre).
Mit eigenen Vertragsbedingungen arbeiten
Es ist für eine VR-Produktion zu empfehlen, mit möglichst allen teilnehmenden Personen eine Vereinbarung zu schließen, mit der die Nutzung der Aufnahmen explizit für eine Verwendung in einem VR-Beitrag genehmigt wird. Entsprechende Zustimmungen sollten auch von Mieter, Eigentümer und Architekten eingeholt werden. Manches Mal wird ein Architekt milder gestimmt sein, wenn sein Name als Architekt im Abspann der Produktion genannt wird.
Auch gegenüber den Abnehmern sollte auf vertragliche Vereinbarungen geachtet werden. So sollte – schon wegen der Haftungsrisiken bei Urheber- und Persönlichkeitsrechten – das Recht der Bearbeitung des Beitrags allein dem Produzenten überlassen bleiben. Es sollte den Kunden stets genau mitgeteilt werden, unter welchen technischen Bedingungen der gelieferte Beitrag funktioniert und wie eine Erweiterung der Produktion für neue Soft- oder Hardware zu vergüten ist. Geklärt sein muss auch, ob das Medium für die Verwendung des Beitrags eine eigene Software-(Abspiel-)Lizenz benötigt und wem die Lizenzkosten zugeordnet werden.
Versicherungen und Steuern
Der freie VR-Journalist wird im Regelfall in der Künstlersozialversicherung versicherungspflichtig sein. Dabei wird natürlich dazu zu raten sein, den publizistischen, in manchen Fällen auch künstlerischen Ansatz der Beiträge ausführlich zu erläutern, da solche Anträge kein Normalfall sind. Darüber hinaus besteht in der Regel auch eine Versicherungspflicht in der Berufsgenossenschaft ETEM für Arbeitsunfälle. Eine Versicherung gegen die Haftung bei Persönlichkeitsrechtsverletzung (Vermögenschadenhaftpflicht) ist empfehlen, hierzu hat DJV-Versicherungsmakler Helge Kühl Angebote eines Versicherers.
Soweit der VR-Journalist wirklich nur Nachrichtenbeiträge produziert und seine Eigenschaft als Autor im Vordergrund bei der Zusammenarbeit mit einem Medium steht, wird er als Freiberufler einzustufen sein. In vielen Fällen jedoch von einer Gewerbetätigkeit zu sprechen sein, wenn das Produkt weniger zur aktuellen Information als zur spielerischen Aspekte genutzt wird und die Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber auch stark von der Erledigung technischer Funktionen geprägt ist. Das ist freilich eine Einzelfallfrage.
Die Umsatzsteuer beträgt, soweit wirklich nur die Nutzung von Beiträgen abgerechnet wird, 7 Prozent. Wenn die Zusammenarbeit aber auch Aspekte technischer Betreuung umfasst, kommt die Abrechnung mit 19 Prozent in Betracht.
Pressekodex und Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb
Wer Beiträge für Medien produziert, die für ihre Onlinepublikationen dem Pressekodex unterstellt sind, muss die Grundsätze des Pressekodex beachten. Das kann beispielsweise bedeuten, dass ein Tatort-Szenario eben nicht die Opfer zeigen darf. Auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ist zu beachten. So müsste etwa darauf geachtet werden, dass im VR-Beitrag, der eine echte Realität vorspiegelt, nicht plötzlich Produkte auftauchen, die Eigenschaften haben, die es in der Wirklichkeit nicht gibt. Natürlich wäre ein durch die Luft fliegendes Auto der Marke BMW noch zulässig, weil niemand ernsthaft annehmen würde, dass es ein solches Produkt gibt. In anderen Konstellationen wird der VR-Produzent dagegen darauf achten müssen, dass dargestellte Szenarien oder Waren realistisch bleiben. Ausnahme wiederum, es wird klar vermittelt, dass es sich um keine der Wirklichkeit entsprechende Präsentation handelt.
Beratung nutzen
Die in dieser Skizze dargestellten Überlegungen können eine Fachberatung nicht ersetzen. DJV-Mitglieder können sich in diesen Fragen juristisch von ihrem Verband beraten lassen. Wer als VR-Journalist tätig und noch kein DJV-Mitglied ist, kann die Mitgliedschaft über den Landesverband erwerben. Schon heute sind zahlreiche Mitglieder des DJV als Autoren anspruchsvoller Multimedia-Beiträge tätig.
Wer seine Erfahrungen über Verträge und Konditionen von VR-Beiträgen teilen möchte, kann diese direkt dem DJV-Referat Freie mitteilen oder unter djv.de/freie unter „Honorare melden“ eingeben.
Michael Hirschler, hir@djv.de