Türkei
Hinsehen, nicht wegschauen!
Die Türkei ist etwas aus dem Blick geraten. Dabei geht die Unterdrückung von Journalisten, die nicht Erdogan und seiner Politik huldigen, unvermindert weiter.
"Ich werde die Welt nie wiedersehen." So heißt das Buch des türkischen Journalisten Ahmet Altan, das im vergangenen Jahr auf deutsch erschienen ist. "Texte aus dem Gefängnis", wie der Band in der Unterzeile heißt, sind es, die Altan die Haft überstehen ließen. Weil er sich am Vorabend des gescheiterten Militärputsches gegen Recep Tayyip Erdogan im Fernsehen kritisch geäußert hatte, wurde Altan festgenommen. Ein Gericht sah darin den Versuch, die verfassungsmäßige Ordnung der Türkei zu stürzen. Das ist drei Jahre her.In der vergangenen Woche kam Ahmet Altan auf freien Fuß. Allerdings ohne Freispruch. Fast sah es so aus, als würde der Titel seines Buchs Lügen gestraft. Leider nur fast, denn die Freiheit währte nur kurz: Jetzt sitzt der Journalist erneut hinter Gittern. Angeblich bestehe Fluchtgefahr, befand ein Gericht. Für Altan engagieren sich internationale Organisationen und sein deutscher Verlag. Es sieht so aus, als ginge ihnen die Arbeit nicht aus.Ihre Arbeit verloren haben indes 45 Journalisten der türkischen Zeitung Hüriyet, die vor einigen Tagen ohne Vorwarnung auf die Straße gesetzt wurden. Eine Begründung gab es nicht, jedoch ist auffällig, dass sie Gewerkschaftsmitglieder sind. Die Europäische Journalisten-Föderation protestiert deshalb gegen diese offensichtliche Schikane.Es besteht also nicht der geringste Grund für Journalisten und Medien in Europa, nicht mehr über die Unterdrückung von Journalisten in der Türkei zu berichten. Von Normalität oder rechtsstaatlichen Verhältnissen ist das Land so weit entfernt wie zu jedem anderen Zeitpunkt seit der Niederschlagung des Militärputsches. Also hinsehen, nicht wegschauen!Ein Kommentar von Hendrik Zörner