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Urheberrecht

Hilfe, bin ich jetzt ein Pirat oder das erste Mal mit Berthold Beitz

17.12.2012

Ich gestehe, ich habe es getan. Mein erstes Mal, und das mit Berthold Beitz. 99 Jahre ist er alt, aber mir war keinen Moment langweilig oder so. Viele Bekannte hatten mich davor gewarnt, es wäre nicht gesund, und ohnehin, die Haptik. Und irgendwie fast unmoralisch.


Egal, ich habe es getan. Und es war gut.

Was ich getan habe?

Ich habe ein eBook, ein elektronisches Buch gelesen, und nichts dafür bezahlt.

Es ging ganz einfach. Eine App runtergeladen, zwei, drei Mausklicks, noch eine App, und schon war es auf dem iPad. Für kostenlos, wohlbemerkt.

Das Buch hieß "Beitz - eine deutsche Geschichte". Autor: Norbert F. Pötzl.

Das mit dem eBook war gar nicht so schlimm. Man wischt sich von Seite zu Seite, was richtig schnell geht, wenn es interessant wird.

Das Buch war interessant. Übrigens ziemlich viel auch darüber, was Medien und PR-Mitarbeiter alles anstellen, wenn es um Mächtige geht.

Überhaupt: Beitz! 99 Jahre, und immer noch an den Schalthebeln der Macht. Gerade eben können Sie es in den Online-Gazetten nachlesen. Spitzenmanager Cromme versenkt 5 Milliarden (bzw. hat nichts davon bemerkt, der Arme), doch "der Patriarch" und alles beherrschende Krupp-Stiftungsboss Berthold Beitz steht zu ihm. Tolle Geschichte, aktuell.

Und ein tolles Buch, auch ziemlich aktuell. Steht übrigens auch drin, dass Herr Beitz als schlauer Stratege den Peer Steinbrück (der mit den Vortragshonoraren...) als einen von drei Stiftungsvertretern in den Aufsichtsrat von ThyssenKrupp entsandt hat (a propos: ob es dort auch Aufsichtshonorare gibt?). Jetzt müssen wir nur noch wissen, dass das Vorwort der anderen, der eher "offiziellen" Beitz-Biografie (Autor: Joachim Käppner) von Helmut Schmidt geschrieben wurde, und dann wissen wir von der Abteilung Verschwörungstheorien, wer Deutschland bzw. die SPD wirklich regiert.

Spaß beiseite: Mein Wochenende mit Berthold Beitz war klasse, das Buch von Pötzl so richtig irre kritisch, alles was man an einem verregnet kaltem Dezembertag so braucht. Übrigens: Wäre meine Geschenkempfehlung für Weihnachten, falls Sie noch nichts für Ihre kritischen (oder journalistischen) Verwandten haben.

Unterhaltsam, kritisch, historisch. Und das alles kostenlos!

Bin ich jetzt ein Pirat, so ein irre unmoralischer Urheberrechtsverletzer, ab in die Ecke bzw. die Piratenpartei?

Das Erstaunliche bzw. Unglaubliche: Es war alles legal.

Die erste App war die Onleihe-App. Heißt tatsächlich so. Onleihe. Dann ging es ab zu Stadtbibliothek, wie das denn mit den eBooks sei. "Geht über Ihre Stadtbibliothekskarte, wenn Sie sich für Online..." - "Hab ich schon seit Jahren, so fürs Ausleihe-Verlängern und so!" - "Ja, dann geht das schon." Noch etwas verschämt fügte ich hinzu: "Ist ja nur so zum Ausprobieren, hierher werde ich natürlich immer noch kommen!" - "Ja, ich habe es auch nur ausprobiert, das ist nichts für mich!" meinte auch der Diensthabende der Stadtbibliothek.

Die zweite App war dann der "Bluefire Reader". Kostet nichts. Dann machte die App noch Macken, als das Buch nach kurzer Recherche im Online-Katalog gefunden und heruntergeladen wurde. "Sie benötigen eine Adobe ID", befahl der Bluefire Reader.

Eine Adobe ID? Panik packte mich als alten (gefühlten) Teilzeitpiraten. Eine ID? Unangenehme Erinnerungen an Grenzübertritte, Volkspolizei, Stasi, CIA... überhaupt: Kontrollstaat. Wahrscheinlich kostenpflichtig? Denkste. Eben mal die E-Mail eingegeben, schon kam die ID. Mensch, ich hätte auch irgendeine Fantasie-E-Mail eingeben können bzw. irgendeine Tarn-E-Mail-Adresse! Egal, jetzt weiß Adobe eben, was ich lese...

Die frisch und kostenlos erworbene Adobe ID eingegeben, und das Buch rauschte ab.

Alles legal! Und alles umsonst!

Ich glaube, ich werde es noch öfters tun. Und tatsächlich seltener in die Stadtbibliothek gehen. Wegen Rücken schonen und so.

Onleihe ist klasse.

Aber hallo? War da nicht etwas? Mussten wir nicht seit Jahren von der Piratenpartei und ihren Adepten in den Medien, den Jüngern von irights.org & Co, der digitalen Linken und sonstigen Klabautermännern hören, dass es mit dem digitalen Lesen viel zu schwierig sei? Dass das Urheberrecht weg muss, weil alles  zu viel kostet?

Hallo? Ich habe meinen Berthold Beitz kostenlos bekommen. Ganz offiziell, über Onleihe und Stadtbibliothek.

Klar: Irgendetwas mache ich falsch. Ich ahne es. Wie immer, weil natürlich überhaupt nicht digital na(t)iv.

Vielleicht finde ich demnächst ein eBook in der Onleihe, das mir das alles erklärt.

Warum man eben dennoch unbedingt ein (echter) Pirat sein muss.



Michael Hirschler, hir@djv.de






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