Tag des Grundgesetzes
Grundlage für alles
Selten war der Jahrestag des Grundgesetzes so problembeladen wie in diesem Jahr: Krieg in Europa, Kriegsangst in Deutschland und Angriffe auf das Grundrecht der Pressefreiheit.
73 Jahre ist es her, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft trat. Deutschlands Städte ähnelten noch Trümmerlandschaften, bevölkert mit Menschen, die vom Krieg gezeichnet waren - psychisch und körperlich. Die Erinnerung daran wurde in den letzten Wochen immer wieder berichtet: von alten Menschen, in denen all diese schmerzhaften Erlebnisse wieder hoch kamen, als die ersten russischen Bomben und Granaten auf ukrainische Städte fielen. Das Grundgesetz war neben vielen anderen Verfassungen in europäischen Staaten eines der staatsbildenden Schriftstücke, die vier Jahre nach 1945 einen neuen Krieg in Europa unmöglich machen wollten.
Seit dem 24. Februar herrscht wieder Krieg. Ist das Grundgesetz deshalb gescheitert? Nein, denn es kann keinen russischen Autokraten zum Frieden zwingen. Was es auch nicht kann, ist der laut Meinungsforschern wachsenden Gruppe von Deutschen die Kriegsangst nehmen.
Wo das Grundgesetz im Jahr 73 allerdings ein massives Problem hat, das in seinen eigenen "Zuständigkeitsbereich" gehört, ist beim Grundrecht der Pressefreiheit der Fall. Garantiert in Artikel 5 der Verfassung, schert es offenbar immer weniger Menschen. Streng genommen soll der Artikel 5 Eingriffe des Staates in die Pressefreiheit verhindern. Dass es sie seit 73 Jahren gibt, ist ein Teil der deutschen Verfassungswirklichkeit. Dass Gerichte diese Eingriffe verurteilen, dass sie auch schon zu massiven politischen Krisen geführt haben, ist eine unmittelbare Folge der im Grundgesetz garantierten Pressefreiheit.
Pressefreiheit ist aber längst mehr als die Verhinderung staatlicher Eingriffe. Sie meint auch das Recht von Medien und Journalisten, sich gegen Manipulationsversuche jeder Art, gegen Bedrohungen, Einschüchterungen oder gar körperliche Angriffe von Extremisten zur Wehr zu setzen. Und davon gibt es leider immer mehr. Mit der traurigen Folge, dass Deutschland nur noch auf Platz 16 der Rangliste der Pressefreiheit steht.
Wir brauchen in Deutschland mehr Menschen und Institutionen, die kompromisslos das Grundgesetz verteidigen, die einstehen für die Grundrechte und deren Umsetzung im Alltag. Nicht nur am heutigen Jubiläumstag, sondern an jedem Tag des Jahres. Es geht um unser aller Zusammenleben, um unsere Zukunft.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner