Russland
Gift gegen Journalistinnen?
Sollte sich der Verdacht erhärten, schweben russische Exiljournalistinnen in Lebensgefahr. In zwei Fällen soll der Kreml Gift gegen Journalistinnen eingesetzt haben.
Es gibt Nachrichten, die schlimm für die Betroffenen sind und noch viel schlimmer für eine weitaus größere Gruppe von Menschen wegen der psychologischen Wirkung, die sie entfalten. Der von Reporter ohne Grenzen am gestrigen Nachmittag veröffentlichte Bericht über russische Exiljournalistinnen, die unter Vergiftungssymptomen leiden, gehört in diese Kategorie. Der Bericht bleibt im Ungefähren, weil die Anschläge, wenn es welche waren, so weit zurückliegen, dass sich keine Giftspuren mehr nachweisen lassen. Und doch ist der Verdacht so schwerwiegend, dass staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aufgenommen wurden.
Kann es sein, dass der Kreml seinen schreibenden und sendenden Kritikern im Ausland nach dem Leben trachtet? Auszuschließen ist das nicht, wenn man an die Fälle Skripal und Nawalny denkt. Und das reicht schon aus, um in der exilrussischen Gemeinde größte Sorgen hervorzurufen. Illusionen über die Diktatur Wladimir Putins haben sich ehemalige Journalistinnen und Journalisten aus Russland sowieso nicht gemacht. Dafür haben sie lange genug in dem Land gelebt. Jetzt kommt es darauf an, dass sie in ihren Zufluchtsländern noch besser geschützt werden als bisher. Dieser notwendige, vielleicht überlebensnotwendige Schutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Sicherheitsbehörden, Exiljournalisten, Familienangehörigen und Unterstützern. Sie alle müssen an einem Strang ziehen. Es geht um das Leben von Kolleginnen und Kollegen.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner