Trump-Enthüllungsbuch
Gespensterdiskussion
Watergate-Enthüller Bob Woodward hat wieder zugeschlagen: Sein neues Buch "Rage" hat schon vor dem Erscheinen hohe Wellen geschlagen, weil Woodward behauptet, Trump belüge seit dem Frühjahr das Volk über das Corona-Virus. Eine Gespensterdebatte ist derweil um den Erscheinungstermin des Buchs entbrannt.
Für alle Jüngeren: Bob Woodward ist zusammen mit seinem damaligen Kollegen Carl Bernstein Schuld daran, dass in den Redaktionen, auch in den deutschen, die älteren Kolleginnen und Kollegen in jungen Jahren in den Journalismus gegangen und nicht Betriebswirtschaftler, Juristen oder Maschinenbauer geworden sind. Denn die beiden Journalisten der Washington Post haben nichts Geringeres geleistet, als den Watergate-Skandal aufzudecken und mit ihren Recherchen schließlich den betrügerischen US-Präsidenten Richard Nixon zu Fall zu bringen. Und so ganz nebenbei haben sie den investigativen Journalismus erfunden.
Seitdem hat Bob Woodward viele Bücher geschrieben, die allesamt eines gemeinsam haben: dem jeweils amtierenden US-Präsidenten auf die Finger zu klopfen. So etwa bei "Bush at War", das die internen Entscheidungsabläufe im Weißen Haus vor und während des Irak-Kriegs an die Öffentlichkeit brachte. Und auch mit dem aktuellen Präsidenten hat sich Woodward schon befasst: "Furcht - Trump im Weißen Haus" hieß sein 2018 erschienenes Buch, in dem es - wieder einmal - um die Interna des Regierungsgeschäfts ging.
In diesen Tagen kam in den USA Woodwards neues Werk heraus. Wieder geht es um Donald Trump, wieder ist der Titel "Rage" hoch emtional. Woodward schildert darin, dass der Präsident bereits seit Februar über die Gefährlichkeit des Corona-Virus informiert war und die Gefahren in der Öffentlichkeit bewusst heruntergespielt hat. Angesichts von 100.000 Corona-Toten in den USA eine unfassbare Behauptung! In den öffentlichen Reaktionen auf das Buch geht es jedoch nicht so sehr um genau diesen Skandal, sondern um einen Nebenkriegsschauplatz. Bob Woodward wird jetzt vorgeworfen, das Erscheinen seines Werks bewusst hinausgezögert zu haben. Je näher der Wahltermin Anfang November rückt, desto größer die Nachfrage, argwöhnen Woodwards Kritiker. Der beschuldigte Autor reagiert mit Fakten. Danach habe das letzte Gespräch mit Trump im Juli stattgefunden. Außerdem hätte die Recherche von Trumps Aussagen erhebliche Zeit in Anspruch genommen.
Der Aufklärer als schmieriger Geschäftemacher? Das hätten Woodwards Gegner gern so. Aber wenn er sich treu geblieben ist, werden die Angriffe unter die Gürtellinie heute so wenig ausrichten wie bei Watergate. Es hatte schon seinen Grund, warum der Kinofilm über Woodward und Bernstein den Titel "Die Unbestechlichen" trug.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner