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Gastbeitrag

Gemeinnütziger Journalismus – Jetzt

19.03.2014

Jetzt und hier ist die perfekte Zeit für gemeinnützigen Journalismus – im Jahr 2014, in Deutschland. Warum? Gemeinnütziger Journalismus schafft neue Möglichkeiten, fördert Innovation, schließt Lücken. Das netzwerk recherche hat deshalb eine neue Initiative gestartet.

 

Von Daniel Drepper

Verlage im deutschsprachigen Raum finanzieren von Jahr zu Jahr weniger Journalismus: Auflagen und Anzeigen gehen zurück, die Kassen werden leerer. Immer mehr Leute machen sich Gedanken über alternative Arten der Finanzierung. Gemeinnütziger Journalismus würde vieles erleichtern.

Probleme haben vor allem teure Arten des Journalismus wie investigative Recherchen sowie qualitativ hochwertige Lokal- und Auslandsberichterstattung. Wenn die jahrzehntelang gewohnte Rendite von 20 oder mehr Prozent in Gefahr gerät, kürzen viele Verlag beim Journalismus. Gleichzeitig ist das Internet voll von Menschen, die sich über schwach recherchierte Texte, fehlende Berichterstattung und mangelnde Transparenz beklagen. Die Unzufriedenheit mit den Medien wächst.

Die Gemeinnützigkeit hat für Journalisten mehrere Vorteile: Wenn Menschen für eine gemeinnützige Redaktion spenden, muss die Redaktion auf diese Einnahme keine Steuern zahlen. Gleichzeitig kann der Spender die Summe selbst steuerlich absetzen. Das entspannt nicht nur die Einnahmesituation der Journalisten, sondern motiviert auch zu mehr Spenden. Gleichzeitig können gemeinnützige Redaktionen besonders kritisch berichten – ohne Rücksicht auf mögliche Profite, Anzeigenkunden, Verlegerfilz und Medienagenda.

Ein einziger Satz könnte reichen
Die Abgabenordnung ist das zentrale deutsche Steuergesetz. In Paragraph 52 sind die „gemeinnützigen Zwecke“ aufgezählt, darunter die Förderung von Wissenschaft und Forschung, von Religion, von Tierschutz, Sport, Kleingärtnerei, Karneval oder Amateurfunk. Vergleicht man echten Journalismus (also nicht kopierte Pressemeldungen) mit dem Standard, der vom Gesetzgeber für die Gemeinnützigkeit angesetzt wird, dann wird klar, dass Journalismus ohne Probleme als gemeinnützig eingestuft werden könnte.

Journalismus ist Kontrolle von Macht und Geld im Auftrag der Allgemeinheit und damit ein perfektes Beispiel für das, was Paragraph 52 der Abgabenordnung für eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit voraussetzt: Eine Tätigkeit, die “darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.” Warum sind in Deutschland der Verbraucherschutz oder die Sportförderung gemeinnützig – guter Recherche-Journalismus aber nicht?

In Deutschland gibt es bereits einige kleine Redaktionen, die versuchen, gemeinnützig zu werden. Oft gründen sie Vereine, über die sie Spenden sammeln. Diese Vereine werden zum Beispiel unter dem Label Bildung geführt, um unter Paragraph 52 der Abgabenordnung zu fallen und steuerbefreit zu arbeiten. Das sind Hilfskonstruktionen, die unnötig Ressourcen fressen. Außerdem sind diese Verrenkungen wackelig, solange Journalismus nicht offiziell als gemeinnützig gilt. Steuerrechtler glauben, dass sich das für bestimmte Arten des Journalismus durchaus ändern könnte. Ein einziger Satz in der Abgabenordnung könnte reichen, um journalistische Innovationen anzuschieben.

Es braucht eine gesellschaftliche Vision
In den USA gibt es seit wenigen Jahren eine neue Welle journalistischer Start-Ups. Viele von diesen neuen Redaktionen sind gemeinnützig. Allein mehr als 80 investigative non-profit Büros sind mittlerweile im Investigative News Network vereint. Die Zeit für neuen Journalismus sollte nun – ein paar Jahre später – auch in Deutschland reif sein. Wenn sich einige hundert oder tausend Spender für ein bestimmtes Thema finden, können Journalisten auch Nischen besetzen oder langfristige Recherchen finanzieren. Gemeinnützige Journalistenbüros in den USA bezahlen ihre Reporter und freien Mitarbeiter übrigens oft fairer als klassische Medienunternehmen. Sie dürfen keine Profite produzieren und reinvestieren ihre Einnahmen in den Journalismus. Das wiederum kommt der Allgemeinheit zu Gute. Gemeinnützige Redaktionen in Deutschland würden ihre Einnahmen transparent machen. Die Mitglieder des Investigative News Network in den USA veröffentlichen jede Spende oberhalb von 1000 Dollar.
In den USA sind for-profit und non-profit Redaktionen oft keine Gegner. Redaktionen wie ProPublica zusammen. Andere beauftragen die gemeinnützigen Recherchebüros als wären es Freelancer. Um hochwertigen Journalismus zu ermöglichen, braucht es eine gesellschaftliche Vision für eine freie und starke Presse. Es braucht Unterstützer in verschiedensten gesellschaftlichen Rollen: in den Medien, in Behörden, der Regierung und Justiz, aber auch in der Wissenschaft und unter Intelektuellen. Guter Journalismus entsteht in einem freien Markt nicht automatisch, eine Gesellschaft muss sich dafür einsetzen. Ein Weg ist die Gemeinnützigkeit.

Zum Autor:

Daniel Drepper ist bis Mai 2014 Fellow am Stabile Center for Investigative Journalism und am Brown Institute for Media Innovation an der Columbia University in New York City. Zuvor arbeitete er zweieinhalb Jahre lang für das Recherche-Ressort der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Dort gewann Drepper unter anderem einen Wächterpreis und wurde als Newcomer des Jahres ausgezeichnet. Seine Diplomarbeit schrieb er über das Informationsfreiheitgesetz.

E-Mail: ddd2129@columbia.edu
Twitter: @danieldrepper
Webseite: danieldrepper.de

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