Internationales
Für ausländische Medien arbeiten - Angriffe auf freie Journalisten
Journalisten thematisieren Probleme bei der Berichterstattung
Mobbing, Attacken, Geld- und Gefängnisstrafen für freie Journalisten, die für ausländische Medien arbeiten: eine Erfahrung, die beispielsweise Korrespondenten der Deutschen Welle, von Al Jazeera, von russischen Sendern und zahlreichen anderen Medien gemacht haben. Probleme gibt es vor allem dann, wenn die Berichte des Auslandssenders so gemacht sind, dass sie im Inland tatsächlich eine Rolle spielen und als störend wahrgenommen werden. Manchmal wird sogar versucht, den ganzen Sender abzustellen.
Beispiel Al-Jazeera in Ägypten: der Sender hatte – ganz im Sinne seines Finanziers, dem Staat Katar - in der ägyptischen Revolte massiv gegen die herrschende Elite rund um Präsident Mubarak agitiert und anschließend die neue Regierung der Muslimbrüderschaft mit allen Mitteln unterstützt. Als sich das Blatt wendete und mit General al-Sisi wieder die alten Eliten an die Macht kamen, wurden zahlreiche Korrespondenten von Al-Jazeera zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Zuletzt forderte eine Gruppe arabischer Staaten sogar die Abschaltung des Senders.
Die Abschaltung eines ungeliebten Fernsehsenders bewirkte auch die britische Regierung. Ihr war die die in radikal-islamischen Kreisen wachsende Popularität des englischsprachigen Programms von PressTV, dem internationalen Nachrichtensender von Iran, ein Dorn in Auge. Denn der damals über den Astra-Satelliten europaweit ausgestrahlte Sender PressTV berichtet aggressiv gegen alle Positionen des Westens und zeigte beispielsweise auch ein erzwungenes Interview mit einem im Iran gefangen gehaltenen Newsweek-Korrespondenten. Über die für den Satelliten zuständige Bayerische Landesmedienanstalt bewirkte die britische Medienaufsicht dann die Abschaltung des Senders auf Astra, der freilich auf anderen Satelliten, in manchen Kabelnetzen und im Internet weiter lief und läuft.
"Auch freie Journalisten, die aus Weißrussland für die Deutsche Welle arbeiteten, erhielten schon Geldstrafen", so Medienanwalt Aleh Aheyeu in Minsk
Ungeliebte Auslandssender: In den USA müssen sich ausländische Sender jetzt als „foreign agent“, ausländische Agenten, registrieren. Die Maßnahme zielt auf den russischen Sender „RT“, dem es gelungen ist, durch unkonventionelle Formate Aufmerksamkeit in der US-Bevölkerung zu bekommen. Die Russische Föderation hat soeben darauf reagiert und eine entsprechende Regelung im eigenen Land eingeführt.
Auch in der Ukraine haben Korrespondenten ungeliebter ausländischer Medien erhebliche Probleme: Russische oder auch nur russischsprechende Journalisten müssen mit übereifrigen Behörden oder auch Attacken von ukrainischen Aktivisten rechnen. Weil die russische Sprache von praktisch allen Ukrainern verstanden und gesprochen wird, versuchen die russischen Staatssender mit ihren Programmen schon seit langem auch die Bevölkerung der Ukraine anzusprechen. Damit haben sie zunehmend Erfolg, denn die ukrainischen Sender dürfen inzwischen nicht mehr programmfüllend auf Russisch berichten, ein im Oktober 2017 in Kraft getretenes Gesetz verlangt von Sendern einen 75-Prozentanteil in ukrainischer Sprache. Wer in dieser Atmosphäre als russischer oder russischsprechender Journalist auf Recherche ist, darf mit Schikanen rechnen. Dabei trifft es auch Korrespondenten für westliche Sender wie etwa das estnische Fernsehen, wenn es russischsprachige Vorort-Korrespondenten einsetzt, wie eine estnische Journalistin aus eigener Erfahrung berichtet: der aufgebrachte ukrainische Polit-Aktivist oder auch Polizist vermutet unerlaubte Berichte oder feindlich eingestellte Journalisten und geht gegen sie vor.
Zuletzt traf es einen Korrespondenten des staatlichen russischen Fernsehens, der einen TV-Bericht mit einer Torte illustrieren wollte. Als sein Messer in die Torte eintauchte, tauchte ein Politaktivist des rechten Lagers auf und alarmierte die Polizei, die den Korrespondenten abführte und nach kurzer Zeit für die Abschiebung nach Russland sorgte.
In Weißrussland wiederum können freie Journalisten sogar Geldstrafen in Höhe eines Monatslohns und darüber erhalten: „Ich habe schon 18 Verfahren bekommen, weil ich für einen ausländischen Sender gearbeitet habe“, berichtete jetzt die weißrussische Journalistin Larysa Shchyrakova. Sie wurde vorsichtiger: „Wenn ich Termine geplant habe, dann nicht mehr am Telefon. Jeder Journalist weiß, dass der Geheimdienst mithört.“
Doch die Situation eskalierte: „Am Ende haben sie sogar gedroht, mir meinen Sohn wegzunehmen, weil mein Verhalten nicht normal sei“. Die Journalistin bricht bei dieser Erinnerung in Tränen aus und kann für kurze Zeit nicht sprechen. Später erwähnt sie fast beiläufig, dass sie den Journalismus jetzt aufgibt, weil sie den Druck der Behörden nicht mehr erträgt.
Drohungen gegenüber Korrespondentin, das Sorgerecht für den Sohn zu entziehen: Eskalation in Weißrussland.
Larysa Shchyrakova arbeitete vor allem für den Sender „Belsat“, der von Polen aus per Satellit in weißrussischer Sprache nach Weißrussland sendet. Der Sender wurde bereits 2007 auf Initiative des damaligen polnischen Präsidenten Jarosław Kaczyński gegründet, der damit dem russlandfreundlichen und autoritär regierenden weißrussischen Präsidenten Paroli bieten wollte. Im Übrigen gibt es die Internetseite von Belsat nicht nur auf Weißrussisch, Russisch und Englisch, sondern auch auf Polnisch, natürlich nicht ganz ohne Grund, denn immerhin 3 Prozent der Bevölkerung in Weißrussland gehören zur polnischen Volksgruppe.
Arbeit für „Belsat“ führt zu saftigen Geldstrafen, gleichzeitig kann im Land darüber offen geredet werden: diese paradoxe Erfahrung machten Teilnehmer einer Konferenz in der weißrussischen Hauptstadt Minsk am 16. November 2017. In einem der großen Hotels der Innenstadt wurde über die Probleme der freien Journalisten den ganzen Tag lang ganz ungezwungen gesprochen, als säße man in irgendeinem beliebigen Konferenzhotel der westlichen Welt. Mit Empfangstisch, Kaffeepausen und Abschiedsfoto, begleitet vom professionell agierenden und stets freundlichen Hotelpersonal.
„Weißrussland gehört zu den restriktivsten Ländern der Welt, wenn es um Pressefreiheit geht“, erklärte hier Adrien Collin von der Internationalen Journalisten-Föderation, der selbst zahlreiche Projekte mit dem regierungskritischen Weißrussischen Journalistenverband organisiert.
Organisiert Unterstützung für Kollegen vor Ort: Adrien Collin von der Internationalen Journalisten-Föderation (IJF)
Zahlreiche freie Journalisten aus Weißrussland berichteten in Wortmeldungen von Reportagen, nach denen sie oder ihre Informanten angegangen wurden. Folge: Gesprächspartner werden eingeschüchtert, beschweren sich bei den Journalisten, widerrufen Aussagen, und überdies gibt es dann noch Geldstrafen.
Man bekommt Strafen, darf aber (derzeit zumindest) darüber reden. Ein Fall von repressiver Toleranz? Vielleicht liegt die Möglichkeit zum Diskurs auch darin begründet, weil sie Teil des ständigen innen- und außenpolitischen Seiltanzes des Präsidenten ist. Ein Seiltanz zwischen alten gesellschaftlichen Eliten und neuen Investoren aus dem In- und Ausland, zwischen Interessen Russlands und denen westlicher Staaten, zwischen der russischen Sprachmehrheit und einem gärenden weißrussischen Sprachnationalismus, zwischen einer autoritär geführten Staatsverwaltung und der immer noch umtriebigen Demokratiebewegung.
In jedem Fall ist Weißrussland ein Land der Paradoxe. Hier Geldstrafen für freie Journalisten, während es gleichzeitig in fast allen der zahlreichen Cafés und Bars Internetzugang per Wifi gibt. Zahllose Laptops und Handy-Displays leuchten dort bis in die späte Nacht hinein, und von Restriktionen beim Zugriff auf Inhalte im Internet ist wenig zu merken. Internetseiten, Social-Media-Dienste, E-Mail-Accounts, alles scheint zugänglich zu sein. Nur in Krisenzeiten, wenn die Demokratiebewegung wieder einmal zu spektakulären Veranstaltungen oder Demonstrationen aufruft, wird der Zugang zu einschlägigen systemkritischen Seiten offenbar eingeschränkt. Insgesamt bewerten Experten Weißrussland aber beim Thema Internetfreiheit als "unfrei".
Die Tätigkeit von freien Journalisten zu verbieten, ist in jedem Fall ungewöhnlich. Das moderne Mediensystem benötigt die Tätigkeit von Freien, auch wenn die soziale Situation dieser Berufsgruppe häufig fragwürdig ist und Reformen erforderlich sind. Das betonten auf der Veranstaltung Vertreter einer Arbeitsgruppe der Europäischen Journalisten-Föderation (EJF), die sich ausschließlich mit den Problemen der freien Journalisten in Europa beschäftigt. Die „Freelance Rights Expert Group“ (FREG) der EFJ hatte im Vorfeld der Konferenz die übliche Halbjahressitzung demonstrativ nach Minsk verlegt.
„Wir führen zum ersten Mal eine Konferenz über die Probleme der freien Journalisten durch“, erklärte zum Abschluss der Vorsitzende des Weißrussischen Journalistenverbands (BAJ) Andrei Bastunets. „Man muss dazu auch sagen, dass bereits die gelungene Durchführung dieser Veranstaltung ein Erfolg an sich ist.“
"Eine Konferenz zum Thema hier durchgeführt zu haben, ist bereits ein Erfolg": Vorsitzender des Weißrussischen Journalistenverbandes
Für die Internationale und Europäische Journalisten-Föderation (in der auch der DJV Mitglied ist) stand daher nach der Konferenz jedenfalls erneut fest: es ist ihre Aufgabe, die Journalistinnen und Journalisten weiter zu unterstützen bei ihrem Einsatz für freie Meinungsäußerung. Darauf machte auch die Abschlussresolution der Veranstaltung aufmerksam. Und darüber hinaus gilt es, generell die Problematik der „im Inland für das Ausland“ tätigen Journalisten herauszuarbeiten und sich für ihre Interessen einzusetzen.
M. Hirschler, hir@djv.de (Text und Fotos)