Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

Urheberrecht

Freie Journalisten erhalten richtig Geld für Zeitungsartikel in zahlungspflichtigen Online-Archiven

13.12.2013

Populistisches, aber nicht unrealistisches Bild der Verlegerseite

Bayerischer Journalisten-Verband erstreitet Anspruch von Mitglied vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf

Zeitungsverlage müssen die Nutzung von Zeitungsartikeln freier Mitarbeiter in entgeltpflichtigen Online-Archiven angemessen honorieren. Der Betrag kann dabei 110 Euro pro Zeitungsartikel für einen Zeitraum von drei Jahren erreichen. Das hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 19. November 2013 entschieden.

Im konkreten Fall muss das „Handelsblatt“ einer freien Journalistin jetzt 6.600 Euro Schadensersatz für ungenehmigte Nutzung zahlen. Das „Handelsblatt“ hatte Beiträge aus den Jahren 2001-2004 in ein erst 2005 gestartetes, mit gewissen Zugangsschranken versehenes Online-Archiv eingebracht. Der Zugang war den Abonnenten der Zeitung kostenlos möglich, für andere Personen oder Firmen aber kostenpflichtig.

Der Fall wurde vom Bayerischen Journalisten-Verband (BJV) vertreten. Eine Revision wurde nicht  zugelassen, weil die Grundsatzfragen in Sachen Urheberrecht vom Bundesgerichtshof bereits ausgiebig geklärt worden seien, so das Gericht.

Das Urteil enthält nach Einschätzung des DJV-Justiziars Benno H. Pöppelmann zahlreiche wichtige Aussagen, die für zukünftige Verfahren von freien Journalisten von Bedeutung sind.

Die Kernaussagen des Urteils:

- Zeitungsartikel sind fast immer urheberrechtlich geschützt, weil sie praktisch nie nur eine knappe Wiedergabe vorgegebener Fakten enthalten.

- Die Lieferung bei noch ungeklärter Frage des Umfangs der Rechte führt nicht dazu, dass der Verlag automatisch beliebige Rechte erhält.

- Das Urheberrecht hat die Tendenz, soweit wie möglich beim Urheber zu verbleiben, damit er in angemessener Weise an den Erträgnissen seines Werkes beteiligt wird.

- Nach wie gelten die Regelungen des vom DJV mit erstrittenen Urteils SPIEGEL-CD-ROM von 2002, nach der im  Allgemeinen werden nur solche jeweiligen Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt werden, durch welche die Erreichung des Vertragszwecks ermöglicht wird.

- Die Einstellung von Zeitungsbeiträgen in ein Onlinearchiv ist gesonderte Nutzungsart, die vom Vertragszweck nicht gedeckt ist. Begründung: Ein Archiv hat andere Funktion als eine Zeitung, sie sei „grundsätzlich“ etwas anderes als die Veröffentlichung von aktuellen Berichten.

-  Die Einstellung in ein Archiv greift permanent in Rechte des Urhebers ein, eine Dauerhandlung eines Verlags und muss während des gesamten Zeitraums der Nutzung gerechtfertigt sein.

- Das Archivrecht nach § 53 Urheberrechtsgesetz erfasst kein Onlinearchiv, das wirtschaftlichen Zwecken dient.

- Die Verjährung von Ansprüchen für die Einstellung in ein Archiv beginnt nicht, solange der Eingriff fortdauert, d.h. der Verlag kann sich nicht darauf berufen, dass die Verjährungsfrist von drei Jahren bereits begonnen habe, als er die Beiträge erstmals in das Archiv hineinstellte.

- Die Vertragsbedingungen und Honorare des DJV stellen einen branchenüblichen Tarif dar. Das gelte auch für die dort beschriebene Regelung, dass für die Archivnutzung bis zu drei Jahre 220 Euro Mindestvergütung zu zahlen sei, und bei einer gleichzeitigen Printnutzung ein Rabatt von 50 Prozent eingeräumt wäre, mithin 110 Euro für jeden der  60 Artikel.

- Die Vergütungsregeln für Texte an Tageszeitungen gelten erst ab 2010, so dass sie erst ab diesem Zeitpunkt berücksichtigt werden könnten.

- Nach den Vergütungsregeln sind 55 Prozent der Erlöse auszuschütten; das setzt jedoch eine Erfassung der auf die einzelnen archivierten Artikel entfallenden Erlöse vor, wobei ein angemessener Teil der für das Abo der Printausgabe gezahlten Vergütung in Ansatz zu bringen ist. Wenn der Verlag keine Belege zu seinen Erlösen einreicht, erfolgt die Berechnung an den Vertragsbedingungen und Honoraren.

Besonders wichtig sind dabei auch die Ausführungen zur Berechnung der Erlöse nach den Vergütungsregeln. Ein Verlag kann sich nicht auf den Standpunkt stellen, er müsse nur die Zahlungen berücksichtigen, die durch Firmen oder Privatleute erfolgen, die einzelne Artikel kaufen. Vielmehr muss auch die Gebühr der ganz normalen Abonnenten berücksichtigt werden, wenn diese durch ihre Gebühr ebenfalls Zugriff auf das Archiv erhalten.

Konkret muss das Urteil damit auch als klare Warnung an alle deutschen Zeitungsverlage verstanden werden. Wenn sie nicht anständig zahlen und die freien Journalisten nicht an ihren Zusatzgeschäften mit Beiträgen beteiligen, drohen ihnen zahlreiche kostenträchtige Auseinandersetzungen.

Wichtig allerdings: Das Urteil kann nicht auf Fälle übertragen werden, in denen Beiträge von freien Journalisten in kostenlos zugänglichen Online-Archiven zu finden sind, soweit Archive diese nur den Verlag selbst oder den persönlichen Gebrauch durch Dritte autorisieren. Hierfür bestimmen die Vergütungsregeln an Tageszeitungen für den Zeitraum ab 2010 die Übertragung folgender Rechte:

Das einfache, zeitlich und räumlich unbegrenzte Nutzungsrecht zur  Nutzung des Beitrags im Archiv oder in der Datenbank dieses Mediums  oder nach Nr. 2 publizistisch kooperierender Verlage zum Gebrauch für interne Zwecke des jeweiligen Verlags oder zum persönlichen Gebrauch Dritter (§ 53 UrhG).

Das Urteil ist auch Gegenstand eines (kostenlosen) DJV-Online-Trainings, das am 16. Dezember 2013 stattfindet. Die Anmeldung ist unter journalistenwebinar.de möglich, exklusiv für DJV-Mitglieder.

OLG Düsseldorf Urteil vom 19.11.2013 Az I 20 U 187 / 12

Michael Hirschler, hir@misaificadjv.de, @freie

DJV-Freie Urheberrecht Honorare Die letzten vier Meldungen der DJV-Startseite

Weitere Artikel im DJV-Blog

Charlotte Merz
Charlotte Merz

15.05.2024

Die Richterin und das Grundrecht Pressefreiheit

Mit ihrem resoluten Vorgehen gegen einen ZDF-Reporter offenbart Richterin Charlotte Merz ein fragwürdiges Verhältnis zum Grundrecht der Pressefreiheit.

Mehr
STREIK BEIM WDR
STREIK BEIM WDR

07.05.2024

Gier auf Kosten der Freien

Dass Medienunternehmen in Tarifverhandlungen knauserig sind, ist nicht neu. Dass manche von ihnen erst durch Arbeitskämpfe zu besseren Angeboten zu bewegen sind, auch nicht. Dass aber die Honorare der …

Mehr
RAI
RAI

06.05.2024

Legt die Arbeit nieder

Beim italienischen Fernsehsender RAI wird heute gestreikt. Nicht für mehr Geld oder neue Tarifverträge, sondern gegen die Einmischungen der Regierung in die Programminhalte.

Mehr
ITALIEN
ITALIEN

26.04.2024

Hände weg von der RAI

Die Versuche der politischen Einflussnahme durch die Regierung Meloni auf den Rundfunksender RAI nehmen zu. Anfang Mai soll es deshalb einen Streik geben.

Mehr
MEDIENKRITIK
MEDIENKRITIK

25.04.2024

Til Schweiger überzieht

Im Interview mit der Zeit übt Schauspieler und Regisseur Til Schweiger heftige Kritik an einigen Medien. Das kann nach der Berichterstattung über ihn nicht verwundern. Aber bei Kritik belässt er es ni …

Mehr
WDR-RUNDFUNKRAT
WDR-RUNDFUNKRAT

24.04.2024

Zeichen gesetzt

Der Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks fordert von dem Sender rechtliche Schritte, wenn die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von der Politik nicht zügig beschlossen wird.

Mehr
JOURNALISTEN
JOURNALISTEN

22.04.2024

Wir sind kein Klischee

Warum nur geraten Journalisten im Spielfilm so gnadenlos daneben? Weil die Drehbuchschreiber keine Ahnung vom Journalismus haben? Oder weil sich das Klischee besser verkauft als die Wirklichkeit?

Mehr
URLAUBSENTGELT
URLAUBSENTGELT

19.04.2024

Freie, aufgepasst!

Freie beim Deutschlandradio haben Anspruch darauf, dass Wiederholungshonorare für die Berechnung des Urlaubsentgelts berücksichtigt werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurt …

Mehr
TARIFKONFLIKT
TARIFKONFLIKT

17.04.2024

Hoch zu Ross

750 Beschäftigte des Westdeutschen Rundfunks hatten gestern die Nase voll und beteiligten sich am Warnstreik der Gewerkschaften. Bestätigt wurden sie von den Verhandlern der Gegenseite.

Mehr
PROSIEBENSAT.1
PROSIEBENSAT.1

16.04.2024

Berlusconi ante portas

Droht der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 von Hauptaktionär Media for Europe übernommen zu werden? Die Medienaufsicht sollte ihren Blick schärfen.

Mehr
FERNSEHNACHRICHTEN
FERNSEHNACHRICHTEN

15.04.2024

Angekündigte Katastrophe

Mehrere Stunden lang flogen iranische Drohnen Richtung Israel. Stunden, in denen die Öffentlich-Rechtlichen ihr Programm hätten umkrempeln können. Doch bis zu Sondersendungen in ARD und ZDF vergingen  …

Mehr
SWMH
SWMH

11.04.2024

Tröpfchen-Kommunikation

Die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), zu der die Süddeutsche Zeitung gehört, tut sich schwer mit klaren und umfassenden Fakten zum geplanten Stellenabbau bei der SZ.

Mehr
ÜBERGRIFFE
ÜBERGRIFFE

09.04.2024

Nicht mehr so schlimm?

Laut Reporter ohne Grenzen ist die Zahl der Übergriffe auf Journalisten 2023 gegenüber dem Vorjahr stark gesunken. Grund zur Entwarnung? Eher nicht.

Mehr
HÖCKE-INTERVIEWS
HÖCKE-INTERVIEWS

08.04.2024

Mit Präzision begegnen

Wie lassen sich Interviews mit Thüringens AfD-Politiker Björn Höcke führen? Sollten sie überhaupt geführt werden? Damit hat sich die Süddeutsche Zeitung in einem lesenswerten Bericht auseinandergesetz …

Mehr
FÖDERL-SCHMID
FÖDERL-SCHMID

05.04.2024

Hexenjagd geht weiter

Die Universität Salzburg bescheinigt der stellvertretenden SZ-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid "kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten". Sie darf ihren Doktortitel behalten. Das sieht …

Mehr
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST

04.04.2024

Nah am Rand

Über das "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland" sind die notorischen Medienhasser in den Social Media aus dem Häuschen. Bei aller berechtigten Kritik an den Öffentli …

Mehr
KÖLNER STADT-ANZEIGER
KÖLNER STADT-ANZEIGER

03.04.2024

Vermarkter am Ruder

Die Online-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers soll der digitalen Produktentwicklung unterstellt werden und angeblich redaktionell unabhängig bleiben. Zweifel sind angebracht.

Mehr
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

28.03.2024

Die Leser sind nicht blöd

Zeitungsleser wollen für Inhalte, die mit KI erzeugt werden, weniger bezahlen. Das ergab eine Umfrage. Eigentlich eine klare Aussage - wären da nicht Marketingexperten, die Morgenluft wittern.

Mehr
VOICES FESTIVAL
VOICES FESTIVAL

27.03.2024

Journalismus trifft Medienkompetenz

Nur wenn Qualitätsjournalismus und Medienkompetenz zusammenspielen, kann eine Zukunft gelingen, in der der Mensch im Mittelpunkt steht, fand DJV-Vorstandsmitglied Ute Korinth in Florenz heraus.

Mehr
TELEGRAM
TELEGRAM

26.03.2024

Schluss mit lustig

Ein spanisches Gericht hat den Messengerdienst Telegram in dem Land abgeschaltet. Grund sind Verstöße gegen das Urheberrecht.

Mehr