Journalismus
Endlich in der virtuellen Realität angekommen!
Mit der richtigen Brille durchs journalistische Berufsleben
Kürzlich feierte unsere Zeitungsredaktion Weihnachtsfeier. Es ist ja immer ein besonders rührendes Fest, wenn zum Jahresende einmal aufgeatmet werden darf und zugleich durchgezählt wird, wer noch alles dabei ist.
So viele sind wieder gegangen, die einen wurden in den vorzeitigen Ruhestand geschickt, die anderen in die Altersteilzeit und die nächsten in ein grandioses Outsourcing-Projekt, das demnächst zwar sang- und klanglos zugemacht wird, aber den Betroffenen vorübergehend so etwas wie eine Existenz auf dem Arbeitsmarkt simuliert.
Unsere Redaktion wird also Jahr für Jahr kleiner, aber das nimmt uns nicht die Lust am Wichteln. Jedenfalls so lange nicht, wie wir noch nicht zu zweit sind und damit genau wüssten, von wem das Wichtelgeschenk kommt.
Ich hatte dieses Jahr besonderes Glück: Ich bekam nicht nur ein Handy (aus Schokolade, von Husserl oder so ähnlich), sondern auch so ein ulkiges Bastelset aus Pappe, das sich nach längeren Anläufen als Brille zur Erforschung der virtuellen Realität entpuppte. Wieder mal so ein Produkt, das den (Spaß-)Horizont erweitert!
Es geht ganz einfach: Schnell einige Virtual-Reality-Apps aus dem App-Store herunter geladen, das iPhone in die Pappbox geschoben, und schon geht es los. Die Erfahrung ist sensationell, blickt man sich mit der Pappe auf der Nase um, ändert sich das Bild entsprechend, gleiches gilt, wenn man nach oben, unten, schräg links oder rechts blickt.
Eine Reihe kostenloser Apps ermöglicht dem Einsteiger die Reise um die Welt. Ob Safaripark oder Unterwasserwelt, alles ist möglich. Für spielerische Naturen ist der Aufenthalt in Horrorhäusern mit ziemlich lebendigen Untoten möglich, oder auch das gezielte Abschießen von angreifenden Kampfflugzeugen.
Natürlich kam mir sofort der Gedanke: So ein Produkt muss doch auch journalistisch einsetzbar sein. Wie viel interessanter wäre unsere Zeitung, wenn man sie sich einfach per Virtual-Reality-Brille anschauen könnte. Man könnte vielleicht durch die Bilder im virtuellen Blatt direkt zu den Hauptschauplätzen der Berichterstattung marschieren und sich dort einmal selbst umschauen. Oder Audio-Interviews aufrufen, indem man einfach auf ein entsprechendes Logo in der Brillenwelt losmarschiert.
Ich sage voraus: Facebook, Twitter und Instagram waren gestern! Der heutige Journalismus findet in der Brille statt! Wir brauchen weder Papierzeitungen noch Internetauftritte, wir Journalisten sollten auf Virtual-Reality-Journalismus setzen! Qualifiziert dafür sind wir ohnehin: In Horrorhäusern arbeiten wir schließlich ohnehin schon von Berufs wegen, und wenn der Stellenabbau so weiter geht, ist bei uns der Journalismus sowieso nur noch virtuell möglich.
Also: Investieren Sie in Ihre Zukunft – schaffen Sie sich eine Pappbox für „VR“ an, und der Journalismus ist gerettet!
Ein geruhsames, virtuell bereichertes Weihnachtsfest wünscht Ihnen Ihr
Peter Pantzer*
*Name der Redaktion bestens bekannt.
PS: Der Autor ist nicht verheiratet oder verwandt mit dem Kollegen von der Süddeutschen, der sich soeben (natürlich!) erheblich qualifizierter zum Thema geäußert hat