Vermarktung
Einige Lehren aus dem Ende von DieRedaktion.de
"Die Lektion ist auch wichtig, weil die Forderung nach einer entsprechenden Plattform seit Jahrzehnten immer wieder gekommen ist"
Die Artikel- und Auftragsbörse DieRedaktion macht Mitte Dezember 2014 dicht, etwas mehr als drei Jahre nach dem Start. Es lag nicht an fehlendem Engagement. Mit der Deutschen Post war ein Anbieter am Markt, ein Global Player, der alle Mittel zur Kommunikation des Projekts nutzte, der eine technisch gut funktionierende Netzplattform mit vielen praktischen Features eingerichtet hatte und sogar das Factoring anbot. Auch urheberrechtlich war der Service korrekt, konnte doch jeder Anbieter seine eigenen Nutzungsbedingungen und Honorare einrichten. Kritik von Freien kam eigentlich nur wegen Dumpingangeboten, wenn andere Autoren ihre Beiträge zu Billigpreisen anboten oder in der Auftragsbörse Aufträge mit geringen Honoraren ausgeschrieben wurden.
Doch auch wenn der eine oder andere freie Journalist immer wieder einmal einzelne Beiträge verkaufen konnte oder an einen Auftrag kam, am Ende fehlte es am wirklich großen Umsatz.
Bereits beim Start von DieRedaktion.de war die Einschätzung im DJV-Freienblog recht verhalten: „Niemand kann heute einschätzen, ob das Projekt am besonders schwierigen Markt der Publizistik gelingen kann. Werden ausreichend Abnehmer einsteigen, bieten freie Journalisten tatsächlich eigene Beiträge zur Zweitverwertung an?“
Das Scheitern am „Markt“ freier Texte ist freilich nicht neu. In der Zeit um den Start von DieRedaktion.de ging gerade der langjährige Anbieter Newsbörse vom Markt.
Aus dem Ende von DieRedaktion.de kann allerdings einiges gelernt werden. Die Lektion ist auch wichtig, weil die Forderung nach einer entsprechenden Plattform seit Jahrzehnten immer wieder gekommen ist, auch und gerade aus den Reihen der freien Journalisten im DJV.
1. Texte sind anders als Fotos sehr schwer per Datenbank im Einzelverkauf zu vertreiben.
Gründe dafür:
a) Redaktionen bekommen ausreichend unbestellte Angebote auf den Tisch, sie müssen nicht in Datenbanken nach Texten suchen bzw. sie haben auch gar keine Zeit dazu.
b) Redaktionen brauchen bei Texten inhaltlich Alleinstellung, vermeiden also Beiträge, die von vielen schon gesehen worden sein können, auch weil die Gefahr besteht, dass jemand zwar nicht den Artikel gekauft, wohl aber die Idee abgekupfert hat.
c) Redaktionen bevorzugen die persönliche Absprache mit dem Autoren, damit sie noch Sonderwünsche im Artikel berücksichtigt bekommen, sie haben aber keine Zeit, den Autor eines Datenbank-Artikels deswegen von sich aus zu kontaktieren.
d) Redaktionen, die in anderen Medien bereits gelaufene Beiträge unproblematisch übernehmen, sind relativ rar. Freie müssen sie selbst ausfindig machen und sollten sich nicht darauf verlassen, dass gerade diese Redaktionen in einer Datenbank suchen, auch weil das bereits Gesagte gilt - Redakteure haben heute kaum Zeit für solche Recherchen.
2. Artikeldienste funktionieren daher nur, wenn sie ständig neues Material bieten und von einer Nachrichtenagentur oder entsprechend agenturmäßig betrieben werden, d.h. über Rahmenvereinbarungen in die Redaktionen kommen.
3. Der Weiterverkauf von bereits veröffentlichten Beiträgen muss durch persönliche Ansprache von Redaktionen und anderen Kunden erfolgen, oft auch durch Überarbeitung des bereits gelaufenen Beitrags.
4. Als Alternative zum Weiterverkauf über Artikelbörsen sollten Freie überlegen, Beiträge über Selbstverlagsplattformen und/oder ihre eigene Webseite gleich direkt an Leser zu verkaufen. Dazu sind thematisch ähnliche Beiträge in einem (elektronischen) Buch oder anderem Medium zusammenzufassen, um dem Leser durch die Bündelung einen Mehrwert gegenüber einem Archivaufruf beim Auftraggeber zu bieten.
Michael Hirschler, hir@djv.de