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Initiative Qualitätsjournalismus (IQ)

Dreiländertreffen in Wien

29.01.2024

Neues Jahr, neues Glück, neue Kollegen, alte Probleme.

Von Winterwetter keine Spur in Wien. Als am 18. und 19. Januar das Dreiländertreffen der Initiative Qualitätsjournalismus (IQ) in Wien stattfand, regnete es. Gedrückt waren auch einige Kollegen angesichts der Vielzahl an Problemen, die sich Journalistinnen und Journalisten heute stellen: Redaktions- und Markensterben, geringe Honorare, Anfeindungen bei der Arbeit, Nachwuchsgewinnung, Verwerfungen der Branche angesichts neuer Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz (KI). Doch die Freude, endlich wieder persönlich zusammen kommen zu können, vertrieb den Blues bald. Ausrichtungsort war das Pressezentrum der APA – Austria Presse Agentur – in Wien. Die Organisation war vortrefflich, die Gastfreundschaft der österreichischen Kolleginnen und Kollegen mehr als sprichwörtlich. Der IQ-Vorstand widmete sich in Debatten, Diskussionen und Panels den drängenden Themen, die die Medienbranchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz beschäftigen.

Der DJV wurde erstmals durch die neue Sprecherin Mariana Friedrich und den neuen Sprecher Philipp Blanke vertreten. Tatsächlich braucht es zwei, um das langjährige unermüdliche Engagement der Kollegin Ulrike Kaiser zu kompensieren, die ihre Aufgaben zum Ende des Jahres 2023 abgegeben hatte.

Zu den moderierten Panels am 19. Januar erschienen prominente Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Medienbranche und der Medienwissenschaften. Rund 300 Zuschauervoranmeldungen gab es für den Livestream der Veranstaltung, die unter dem Oberthema stand: "Zwischen Propaganda, Künstlicher Intelligenz und neuen Herausforderungen für die Medienethik – wie kann sich Qualitätsjournalismus im digitalen Zeitalter behaupten?"

Im ersten Panel zum Thema "Human Control? Künstliche Intelligenz, Regulierung und der Newsroom" machte Michael Roither, Vizedirektor der FH Burgenland, dem versammeltem Publikum Mut. "Natürlich riecht KI nach Effizienzsteigerung und Leute entlassen. Wenn man schaut, was man stattdessen tun muss, wie viele Leute mit besonderer Expertise man stattdessen braucht, dann relativiert sich das wieder", so Roither. Weiter fuhr er fort: "KI-Effizienzsteigerung im Sinne von weniger Leute wird es nur sehr bedingt geben. Denn die Leute, die eingespart werden, muss man mit anderen Skills an anderer Stelle wieder einstellen." Er betonte jedoch auch: "Noch schafft KI keinen Mehrwert für den Journalismus. Das kann sich aber schnell ändern."

Derzeit erschaffe KI noch nichts Neues, sondern sei weitestgehend repetitiv. Katharina Schell, stellvertretende Chefredakteurin der APA, gab Einblick in den KI-Umgang in ihrem Haus: "Die APA gibt vor, dass ein KI-generierter Inhalt wie eine ungeprüfte Quelle zu behandeln ist." Diese Handhabung fand breite Unterstützung im Publikum. Roither machte zudem deutlich, er halte nichts von der Kennzeichnung von KI-generierten Texten. Die Verantwortung, dies zu beurteilen, liege vielmehr beim User. Die gängige Praxis in Deutschland und den meisten Ländern sieht anders aus.

Im zweiten Panel des Tages ging es um das Thema "Verschwörung, Desinformation, Propaganda: Die Parallelwelt neuer 'Alternativmedien'". Auf dem Panel diskutierte unter anderem Luis Paulitsch, Referent beim Österreichischen Presserat. Er skizzierte das Vorgehen von "Alternativmedien" am Beispiel österreichischer Medienmarken wie Express.at und deutscher Medienmarken wie NIUS, dem Outlet des aufgrund massiver persönlicher Verfehlungen geschassten Ex-BILD-Chefredakteurs Julian Reichelt. "Medien wie NIUS versuchen, Parteien von innen zu radikalisieren. Politiker sind dafür verantwortlich zu schauen, mit welchem Medium sie sprechen und es damit aufwerten", sagte Paulitsch.

Die österreichische Autorin und Journalistin Ingrid Brodnig lehnt die Bezeichnung "Alternativmedien" ab, da dies eine Selbstbeschreibung eben dieser Medien sei. Sie bevorzugt die Begriffe "unjournalistische Medien", "Meinungsmacher" oder "politische Aktivisten". Brodnig charakterisierte diese als News-Outlets mit "Scharnierfunktion". Sie seien "vordergründig neutral, machten aber tatsächlich rechte Parteiwerbung". Für den österreichischen Medienmarkt verortete Brodnig eine Art "rechtsextremer Medien-Start-up-Szene in Oberösterreich" und bezog sich unter anderem auf Medien-Outlets wie AUF1.

Fast philosophisch wurde es hingegen im letzten Panel "Über die Tugend im digitalen Zeitalter: Neue Herausforderungen für die Medienethik". Sarah Spiekermann, die Institutsleiterin Wissenschaftsinformatik und Gesellschaft an der WU Wien, gab ihre Gedanken zum Besten.

Im Vorfeld der offenen Diskussionsreihe haben sich die Vertreterinnen und Vertreter der IQs der drei Länder ausgetauscht, wie man künftig stärker gemeinsame Angebote für die Journalistinnen und Journalisten in den drei Ländern entwickeln kann.

Das nächste Dreiländertreffen wird im Januar 2025 in Zürich stattfinden.

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