Unglaublich
Doch, Sam, du solltest wissen, wie ChatGPT funktioniert!

„Ihr entscheidet, wir werden die Regeln befolgen!“ Europa müsse schließlich selbst wissen, ob es Fortschritt oder Regulierungen bevorzuge und mit letzteren hinter den Rest der Welt zurückfalle. Zack, die Runde nickt euphorisch.
Natürlich sei er hier voreingenommen, sagt OpenAI Brain Sam Altman. Er sei überzeugt, dass die Menschen in Europa die KI von OpenAI nutzen möchten und so die Wirtschaft wieder wachsen und die Wissenschaft voranschreiten könne. „We would love to do like a Stargate Europe“. Wie mit Trump in Amerika, nur halt europäisch. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ein starkes Europa sei schließlich unglaublich wichtig für die Welt. Deutschland habe unglaubliches Potenzial und so weiter und so fort. Allein dieser kleine Ausschnitt aus seinem Auftritt an der TU Berlin dürfte ausreichen, um die zugegeben extrem geschickte und doch so gefährliche Argumentation im Musk/Trump-Style zu verdeutlichen.
Die knapp 1.200 Plätze im Audimax der TU Berlin waren in 30 Minuten ausgebucht. Im Saal überwiegend männliche Zuschauer. Über 4.000 Menschen wollten eigentlich dabei sein. Dank des Livestreams konnten sie es dann zumindest online. Während im Vorraum eine Protestaktion durch Studierende stattfand, die gegen OpenAI und Sam Altmans Nähe zu Trump und die damit verbundene Abkehr von jeglichen Regeln demonstrierten, war es im Saal argumentativ einheitlich kuschelig.
Jede minimal kritische Frage wischte Altman mit kleinen Ablenkungsmanövern weg. Er selbst wisse nicht, wie genau die KI zu den Ergebnissen komme, die sie produziert, aber er wisse ja auch nicht, wie genau ein Auto gebaut sei, wenn er es nutze. Nee, Sam, aber du hast das Auto ja auch nicht gebaut. Denn dann solltest du das schon wissen.
In Sachen Energieverbrauch agiert er ähnlich. Naja, die KI verbrauche sehr viele Ressourcen, wobei OpenAI natürlich ständig bemüht sei, diese runterzufahren und die Modelle jetzt schon unglaublich effizient seien. Aber man müsse ja das große Ganze sehen. Vielleicht sei die KI ja schon bald in der Lage das Ressourcenproblem zu lösen, indem sie dabei hilft, günstigen Strom aus Kernfusion herzustellen. „Fusion wird bald die vorherrschende Energieform sein“, sagt er. Bestimmt Zufall, dass er selbst Großinvestor und Vorsitzender des Startups Helion ist, das sich genau mit dieser Kernfusion beschäftigt.
Unglaublich auch, was mit „Deep Research“, dem neuesten Agenten aus dem Hause Open AI möglich sei. Wissenschaftliche Studien und Dokumente in Sekunden durchzuscannen und spezifische Fragen zu beantworten. Klar, das spart sehr viel Zeit und ermöglicht schnellere Forschungsergebnisse. Schon wahr und wertvoll. Und doch ist auch hier Vorsicht geboten, wenn es um sensible Daten geht. Ganz abgesehen von Urheberrechten. Darüber wird nicht geredet. Auch nicht über die Daten, mit denen die Modelle vorab schon mal trainiert wurden und über die auch keine Transparenz herrscht.
Die Moderation übernahm Fatma Deniz, Vizepräsidentin für Digitalisierung und Nachhaltigkeit an der TU Berlin. Mit auf dem Podium saßen außerdem Volker Markl, Professor an der TU Berlin und Co-Direktor des Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data, mit dem Altman gerade eine Partnerschaft eingegangen ist. Und Nicole Büttner, Chefin des Berliner KI-Startups Merantix Momentum. Diese Zusammensetzung erklärt dann auch den enthusiastischen Einheitstalk.
Altman verspricht, dass die KI in einigen Jahren Dinge könne, von denen jetzt noch viele denken, sie seien unmöglich. Schon jetzt sei die KI schlauer als viele. Spätestens mit GPT5 sei die KI auch schlauer als er selbst, sagt er und lächelt dabei. Mir ist dabei ehrlich gesagt nicht mehr zum Lächeln zumute. Kurze Joker-Bilder huschen mir durch den Kopf.
Ohne Frage ist die KI eine zukunftsweisende Technik, die uns hervorragend unterstützen und weiterbringen kann. Und wer mich kennt, der weiß, dass ich alles andere als technikverschlossen bin. Und doch glaube ich, dass wir KI kritisch nutzen sollten. Wir selbst haben es in der Hand. Wir können entscheiden, wessen Technik wir mit unseren Daten füttern und wie wir sie nutzen können, sodass wir sie zu einem guten Werkzeug machen und nicht zu einem, das in den Händen von Menschen liegt, denen Macht und Geld wichtiger sind als das Wohl der Menschheit.
Unglaublich. Dieses Wort nutzt Altman in dieser Stunde diverse Male. Unglaublich finde ich eher, dass es keine wirklich kritischen Nachfragen gibt. Unglaublich, dass niemand auf europäische Lösungen wie Mistral oder Aleph Alpha verweist, sondern nur Schwarz-Weiß angesagt ist. Ohne OpenAI sind wir alle verloren – so die Message von Sam Altman.
Unglaublich, aber ich bin ganz und gar nicht dieser Meinung.
Ein Kommentar von Ute Korinth