Recherchen
Distanzierung von der Distanzierung
Das Portal FAZ.net gab am Wochenende Anlass zu vielen Fragezeichen. Erst wurde ein Bericht über die Aktivitäten der PR- und Lobbyingagentur WMP Eurocom veröffentlicht, dann distanzierte sich die Redaktion ohne Angabe von Gründen. Schließlich erschien der Bericht erneut - in aktualisierter Fassung.
Das kann der gründlichsten Redaktion widerfahren: Ein Bericht ist durchrecherchiert, geschrieben, gegengelesen und schließlich online gestellt - und dann trifft eine Information ein, die alles in einem anderen Licht erscheinen lässt. Entweder wird der Bericht umgeschrieben oder erst mal offline geschaltet mit entsprechendem Hinweis in den Social Media.Kein Drama, sondern journalistischer Alltag. Vor allem Twitter-Nutzer zeigen Verständnis für dieses Vorgehen, wenn es transparent kommuniziert wird. Wehe wenn nicht: Dann schießen die Spekulationen wild ins Kraut. So geschehen an diesem Wochenende, als zunächst die Bild am Sonntag schilderte, wie das saudische Regime versucht, mit Hilfe der PR- und Lobbyingagentur WMP Eurocom das ramponierte Image aufzubessern. Die FAZ brachte dazu auch ein Stück und berief sich auf die BamS-Berichterstattung. Besonders brisant: CDU-Spitzenmann Friedrich Merz warb noch bis vor Kurzem auf der WMP-Homepage für die Agentur, ließ sein Posting aber löschen.Wenig später dann der Rückzieher der FAZ: Der Bericht war auf den Digitalseiten nicht mehr zu finden. Zur Begründung hieß es auf Twitter: "Wir haben den Artikel und die dazugehörigen Tweets gelöscht. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels lag uns eine Vorabmeldung vor. Wir distanzieren uns allerdings von Inhalten der Berichterstattung. Wir werden das nun intern kritisch analysieren." Ein User merkte daraufhin kritisch an, dass der Beitrag zunächst mal acht Stunden lang zu lesen war. Und BamS-Chefredakteurin Marion Horn meldete sich auch zu Wort: "BILDamSONNTAG ist Quelle des Artikels, von dem faznet sich jetzt (warum auch immer) distanziert."Schließlich veröffentlichte die FAZ einen aktualisierten Bericht zum gleichen Thema. Was jedoch fehlte, war eine Erklärung für das Verwirrspiel. Die wäre nötig gewesen, damit sich die Diskussion nicht um das Wie der Berichterstattung, sondern um die Inhalte drehte.Ein Kommentar von Hendrik Zörner