Social Media
Diktatur der Unfehlbaren
Eine beispiellose Welle der Solidarität in Twitter gab es für die inhaftierte chinesische Bloggerin Zhang Zhan. Einen Shitstorm gewaltigen Ausmaßes musste eine Regionalzeitung aushalten. Zwei Seiten einer Medaille.
Wenn schwarz und weiß klar voneinander zu unterscheiden sind, schlägt die Stunde der Social Media. Das war am Montag der Fall, als Amnesty, PEN-Zentrum und DJV zu einer Twitter-Demonstration für die inhaftierte chinesische Bloggerin Zhang Zhan aufgerufen hatten. Die Tweets kamen im Sekundentakt, und das über viele Stunden hinweg. Das war gut und richtig so, denn Zhang Zhan hatte Videos und Informationen aus Wuhan verbreitet, als die Metropole nach Ausbruch der Corona-Pandemie hermetisch abgeriegelt war. Ihr Material stand in krassem Widerspruch zur chinesischen Propaganda, und deshalb wurde sie verhaftet und zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Die Solidarisierung mit ihr in Twitter war ein tolles und mächtiges Signal an ihre Unterdrücker. Niemand glaubt ernsthaft, dass Zhang Zhan deshalb freigelassen wird. Aber zumindest für die deutsche Außenpolitik dürfte spätestens jetzt klar sein, dass sie gegenüber China nicht zur Tagesordnung übergehen darf.
Eine Aufwallung der ganz anderen Art gab es in den sozialen Netzwerken gegen die Regionalzeitung Rheinpfalz. Die hatte in ihrer Sonntagsausgabe einen Bericht über die Omikron-Variante des Corona-Virus mit einer Überschrift und einem Foto versehen, die von vielen zu Recht als rassistisch wahrgenommen wurden. Dass es dafür Kritik der Leser gab, war nachvollziehbar und legitim. Aber dabei blieb es nicht: Die Redaktion wurde in den Social Media mit Kübeln von Jauche übergossen, was bis zum Vergleich der Rheinpfalz mit dem Nazi-Blatt "Stürmer" ging. Chefredakteur Michael Garthe entschuldigte sich bei den Lesern für den Fehler unumwunden und ohne Ausflüchte - und beschrieb den Shitstorm gegen seine Zeitung: "Im Netz gibt es oft mehr Bösartigkeit und Hass als kritische Debatte und demokratische Streitkultur." Und weiter: "Wenn wir in der Redaktion Fehler machen, bekennen wir uns dazu. Das ist unser Verständnis von einer öffentlichen Debatte."
Gut so. Klar ist aber auch, dass sich an der Hasskultur dadurch nichts ändern wird. In den Social Media gibt es eben nur schwarz oder weiß, Grautöne werden ignoriert. Wohl dem, der immer auf der weißen Seite steht.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner