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Markt

Die neue Plattformwirtschaft im Berufsfeld freier Journalisten

23.03.2016

Korrespondenten vermarkten im weiten Sinne: Service aus Dänemark

Rund um den freien Journalismus entsteht europaweit eine vielfältige Service- und Marketingindustrie

Rund um den freien Journalismus entsteht europaweit eine vielfältige Service- und Marketingindustrie. Im slowenischen Ljubljana präsentierte sich beispielsweise im Rahmen einer Tagung der Europäischen Journalisten-Föderation das dänische Korrespondenten-Netzwerk korrespondenterne.dk. Gegründet wurde es von freien Journalisten, die darüber gemeinsam auftreten. Doch es geht nicht allein um digitale Visitenkarten im Netz, sondern der Service soll auch eine Vermarktungsplattform sein, eine Community, es sollen Trainingsangebote angeboten werden oder die Entwicklung von Software für Freie. Selbst das Lobbying für die Interessen zählt das als Non-Profit-Unternehmen registrierte Netzwerk zu seinen Aufgaben, übrigens auch als Katalysator für die Forderungen von Freien innerhalb der dänischen Journalistengewerkschaft.

Aus Deutschland berichtete Carolin Neumann über ihr Projekt jouvenir, mit dem sie Journalisten unternehmerisches Handeln vermitteln will. Mit der Hilfe des Finanzierungsexperten Clas Beese, der auch den Newsletter „Finletter“ betreibt, soll journalistischen Vorhaben betriebswirtschaftliches Denken beigebracht werden. Bei Journalisten nicht einfach, wie sie berichtete. Das gilt vor allem auch deswegen, weil Journalisten nicht klar sei, dass Journalismus ein Luxus sei, den es zu finanzieren gelte, so Clas Beese. Kein Wunder, dass solche provokativen Aussagen im journalistischen Publikum für einen gewissen Protest sorgten. Aufgabe der Journalisten sei es, für die Interessen der Öffentlichkeit einzutreten, nicht aber, Unternehmen aufzubauen, so Stimmen aus dem Publikum. Für Akteure wie Neumann und Beese bleibt also sichtlich einiges zu tun, um hier Überzeugungsarbeit zu leisten oder Kompromissmodelle zwischen dem journalistischen Anspruch und der betriebswirtschaftlichen Realität anzubieten.

Plattformen für die Vermarktung der Arbeit von Freien werden allerortens gegründet, obwohl es mit Angebote wie der Datenbank der Freien unter www.djv.de oder Plattformen wie Torial schon eine ganze Reihe von Angeboten gibt. In Hamburg wird beispielsweise gerade der Dienst Scribershub gestartet, und eine Reihe ambitionierter Dienstleister plant aktuell Auftragsbörsen für professionelle Journalisten, die demnächst an den Start gehen sollen.

Der kritische Beobachter fragt sich angesichts des neuen Gründungsbooms (hierzu auch eine Auflistung von anderen Ideen und Dienstleistern unter Start-Ups auf djv.de), ob den Akteuren klar ist, wie wenig Geld gerade im freien Journalismus zu verdienen ist, wie gering mögliche Margen ausfallen. Warum so großes Engagement, wenn doch wenig Profit zu erzielen ist?

Ein Grund liegt sicherlich in der desolaten Lage der Gesamtwirtschaft. Neue Geschäftsideen und große Investitionsprojekte bleiben aus, relevante Gewinne sind kaum noch zu erzielen. Weil es wenig neue Geschäftsfelder gibt, engagieren sich Unternehmer immer mehr in bestehenden Branchen. In der Medienbranche gibt es eben eine gute Anzahl von Bereichen, in denen sich unternehmerisch konsequent geführte Start-Ups durchaus gegen behäbige Altverleger durchsetzen könnten, und zudem sind zahlreiche Abläufe in den Medien noch nicht so durchdigitalisiert wie in anderen Wirtschaftsbereichen. Hinzu kommt, dass die Software für die Errichtung digitaler Plattformen heutzutage praktisch kostenlos zu erhalten ist und auch die Betriebskosten nur wenige Euro betragen.

Die Digitalisierung der Branche ist dabei zugleich der Versuch, bisher noch nicht als Dienstleistung vermarktete Abläufe zu kommerzialisieren. Bisher war der Kontakt zwischen Freien und Redaktionen ein relativ „natürlicher“ – Freie greifen zum Telefon oder zur E-Mail und bieten einen Beitrag an; umgekehrt werden sie gelegentlich auch vom Redakteur angesprochen. Die neuen digitalen Dienstleister besetzen jetzt dieses Feld, um den Kontakt nur noch über irgendeine Form der Bezahlung zu ermöglichen, sei es über eine Zahlung der Freien (Mitgliedschaft in der Plattform) oder eine Provision der einkaufenden Medien.

Werden diese Ansätze funktionieren, sind sie alle von Vorteil, oder bedeuten sie für Freie im Gegenteil noch mehr Kosten und eine praktische Behinderung ihrer Arbeit? Ist das Unternehmertum wirklich die Zukunft des Journalismus? Oder ist es vielmehr sein Ende, bei dem gerade Journalistengewerkschaften auf der anderen Seite stehen müssen? Müssen die Gewerkschaften nicht klarmachen, dass derjenige, der den Schritt zur Gründung eines echten Unternehmens macht, also eines Betriebs mit mehreren Mitarbeitern, dann eben auf der „anderen Seite“ steht? Einer "anderen Seite", gegenüber der sich Journalistenverbände für das Interesse des Journalismus und der Beschäftigten engagieren müssen, statt Unternehmenslogik zu vertreten?

Fragen, die auch die Teilnehmer der Konferenz in Ljubljana bewegten und auf die es keine einfachen Antworten gibt. Jeder möchte gut Geld verdienen, aber jeder echte Journalist will auch ohne Blick auf die Kosten für die Wahrheit streiten. Die Debatte über den neuen Unternehmerjournalismus und  die neue Plattformwirtschaft in den Medien hat gerade erst begonnen.

Michael Hirschler, hir@djv.de

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