Monopole
Die Entflechtung des Google-optimierten Journalismus – eine Unmöglichkeit?
Eine Frage (auch) für selbständige Medienmacher
Der Bundeswirtschaftsminister spricht davon, dass der Internetkonzern Google entflochten werden könnte. Die Entflechtung, ein Instrument der Kartellaufsicht, könnte beispielsweise bedeuten, dass die Suchmaschine Google in einem von anderen Google-Angeboten getrennten Unternehmen betrieben werden muss. Ziel dieser Trennung wäre, dass die Suchmaschine Google die Angebote anderer Google-Firmen neutraler behandelt als derzeit, wo Google-Angebote wie etwa Google-Landkartendienste oder Medienangebote bei Google Play in der Suchmaschine bevorzugt werden.
Wettbewerber von Google-Angeboten würden nach diesem Szenario wieder bessere Chancen bekommen, ihre eigenen Geschäftsmodelle im Netz zu betreiben. Für Medien und ihre Mitarbeiter erscheint das als Lichtblick. Kein Wunder, dass ein Großkonzern wie Axel Springer den Druck auf die Politik ständig ausweitet, um die Entflechtung zu erreichen.
Eine gewisse Ironie erhält die Diskussion schon dadurch, dass ausgerechnet ein Quasimonopolist wie Axel Springer die Entflechtung von Unternehmen fordert. Wenn überhaupt, müsste zunächst einmal Axel Springer selbst entflochten werden. Doch die gleiche Bundesregierung, deren Wirtschaftsminister jetzt von Entflechtung spricht, setzt die Politik der letzten Koalition fort, durch die Pressefusionen erleichtert wurden.
Auch könnte gefragt werden, ob die Entflechtung tatsächlich eine Schwächung von Google bringen würde. Die Aufteilung in unabhängige Firmen könnte ganz im Gegenteil viele Google-Projekte, die derzeit unter Restriktionen durch den firmeninternen Fokus auf die Suchmaschine leiden, erst richtig auf Tempo bringen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der moderne Journalismus nicht ohnehin rettungslos mit Google verflochten ist. Internetseiten von Medien, die gewiefte Redakteure und Administratoren einsetzen, kümmern sich seit Jahren um die Anzeige ihrer Nachrichten und Webseiten bei Suchmaschinen.
Suchmaschinenoptimierung ist Trumpf, und bei einem Marktanteil von 95 Prozent heißt Suchmaschinenoptimierung aber auch schlichtweg Google-Optimierung.
Wie wird ein Internetauftritt optimiert? Die Instrumente der Vergangenheit – Verschlagwortung von Beiträgen, Kategorien, Einträge im HTML-Code der Seiten, Referenzlinks von anderen, befreundeten Seiten – sind in vielen Fällen nur noch begrenzt hilfreich. Viel entscheidender ist qualitativ hochwertiger Inhalt, der auch häufig aktualisiert wird – und qualitativ hochwertige Links, die von der Suchmaschine also nicht als manipulativ gewertet werden.
Internetanbieter, die hochwertige Inhalte ständig zum kostenlosen Abruf durch Google bereithalten, stehen also ganz oben bei Google. Das beste Beispiel ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia, die fast bei jeder Suchanfrage an zweiter oder dritter Stelle steht – an erster Stelle stehen dann übrigens heute (noch) automatisiert zusammengeklaubte Kurzdaten von Google selbst.
Ganz oben steht also vor allem derjenige, der seine hochqualitativen Inhalte ständig kostenlos anbietet. Für viele Medienanbieter ist das nicht einmal ein Problem. Sie setzen – wie viele Privat-TV-Sender – auf die Verbreitung kostenloser Inhalte, um über die Masse der Zuschauer dann Werbung zu akquirieren. Auch für selbständige Journalisten, die ein eigenes Onlineportal betreiben, kann sich das auszahlen, wenn sie den richtigen Themenfokus setzen. Diejenigen wiederum, die auf ein kostenpflichtiges Angebot setzen, müssen demgegenüber härter strampeln. Ob mit teilweisen Kostenlos-Angeboten, Teaser-Texten, die für ein Google-Ranking ausreichen oder sogar kostenpflichtigen Google- oder Facebook-Anzeigen, die auf ihr Angebot hinweisen – die Wege sind vielfältig und viele natürlich auch sorgsam gehegtes Geschäftsgeheimnis.
Natürlich würde aber auch den Google-optimierenden Journalisten helfen, wenn die Suchmaschine Google gezwungen wäre, bei der Vermarktung von sonstigen Google-Produkte mehr Chancengleichheit regieren zu lassen. Schon in der Vergangenheit fiel beispielsweise auf, dass Blogposts auf den Google-Diensten Blogger.com jedenfalls zeitweise recht erfolgreich im Netz abgefragt wurden – sicherlich auch hier ein Zeichen, dass Google eigene Medienangebote bzw. Medien, die Google-Dienste nutzen, bevorzugt hat. Wer einen anderen Blogdienst nutzte, war also schon ein wenig benachteiligt. Das alles muss nicht sein.
Wie eine Entflechtung zu Gunsten gerade auch freier und „kleiner“ Medienmacher funktionieren könnte, wird eine spannende Debatte sein. Erst recht, wenn kartellrechtliche Maßnahmen nicht nur die Geschäftspraktiken von Google, sondern auch die Umgangsweise von Axel Springer gegenüber seinen freien Mitarbeitern betreffen würden.
Eines aber ist auch klar – auch nach einer Entflechtung wird im (freien) Journalismus noch jede Menge Google sein.
Michael Hirschler