Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

Hass im Netz

Desinformation tötet

02.08.2022

Immer mehr Hass, Hetze und Desinformation im Netz — mit bisweilen tödlichen Auswirkungen, wie der Fall einer Ärztin aus Österreich zeigt Dr. Lisa Maria Kellermayr hat wohl wegen Anfeindungen von Querdenkern und Impfgegnern Suizid begangen.

Ein krasser Fall, doch auch ohne tödliche Auswirkungen lässt die digitale Hetzjagd immer häufiger kritische Stimmen verstummen. Auf Twitter wird künftig etwa die des bekannten Würzburger Anwalts Chan-jo Jun nicht mehr zu hören sein. Seit der Corona-Pandemie war Jun zu einem prominenten Aufklärer von Verschwörungsmythen geworden, entlarvte rechtliche Querdenken-Argumentationen in seinen Beiträgen als "Quatschjura". Doch nun zieht Jun die Reißleine. Sein Twitter-Profil hat der Jurist gelöscht.
Zuvor hatte sich der tragische Fall in Oberösterreich ereignet: Dr. Lisa Maria Kellermayr ist nach Hass- und Morddrohungen von Impfgegnern und Querdenkern tot in ihrer Praxis gefunden worden. Die Behörden gehen von Suizid aus, es wurden Abschiedsbriefe gefunden - in einem wirft sie der Polizei Versagen vor. Ihr tragischer Tod aber wirkt nach: Von Desinformations-Aktivisten, Putin-Verstehern und Querdenkern wird er derzeit propagandistisch ausgeschlachtet. Der Fall wirkt bis nach Deutschland.
Jun hatte zuletzt noch Behauptungen widerlegt, das Lied "Layla" sei verboten worden. Unter anderm Musikproduzent Ikke Hüftgold hatte von "Zensur" gefaselt. Doch nun wird auch dem streitbaren Juristen das Engagement auf Twitter zu heiß. In seinem zunächst letzten Tweet den Rückzug von der Plattform: "Engagement und Aufklärung führten für Dr. Lisa Maria zu Hass, Bedrohungen, Ruin und mutmaßlich zum Tod, der auf Telegram von Querdenkern als Sieg gefeiert wird." Weiter schreibt der Würzburger: "Wir haben Hass und SLAPP nichts entgegenzusetzen. Ich mag nicht mehr und deaktiviere meinen Account."
Der DJV kämpft schon seit geraumer Zeit gegen SLAPP - missbräuchliche Klagen, mit denen auch Journalist:innen mundtot gemacht werden sollen, kritische Recherchen verhindert werden sollen. Schlimm, dass nun ausgerechnet ein engagierter Jurist die Reißleine zieht. Immerhin, dem DLF sagt Jun, dass er seinen Kampf gegen "Hass, Hetz und Falschinformation" nicht aufgeben werde. Allerdings sei "Twitter ein Schlachtfeld geworden, auf dem die Idee der sachlich-neutralen Aufklärung" nicht funktioniere.
Jun hat recht - die Organisation "Hate Aid", die gegen digitale Gewalt kämpft, fordert von den Twitter-Verantwortlichen: "Macht euren Job und schützt die Betroffenen." Die Plattform, die mit ihren Nutzern Geld macht, muss diese auch schützen. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut - aber Menschenfeindlichkeit ist keine Meinung, Menschen müssen vor potenziell tödlichen Drohungen geschützt werden, damit ein ernstgemeinter Raum für Debatten überhaupt entstehen kann. Jun führt sein Engagement auf Twitter zunächst nicht mehr fort - hoffentlich bleiben trotz mangelhaften Schutzes von Behörden und Plattformbetreibern noch etliche Engagierte, die weiter für Aufklärung und gegen Desinformation kämpfen. Denn dem Verschwörungs-Mob und selbsternannten Querdenkern unwidersprochen diese Plattform zu überlassen, wäre ein fatales Signal an die Gesellschaft.
Ein Kommentar von Mika Beuster

Social Media Corona DJV-Blog
Social Media Newsmeldung DJV-Blog Corona

Weitere Artikel im DJV-Blog

Kennzeichnungen
Kennzeichnungen

20.11.2024

Werbung ist Werbung

Warum kennzeichnen Zeitungen und Zeitschriften kommerzielle Angebote nicht durchweg als "Werbung"? Stattdessen wird immer häufiger gern von "Verlagsangeboten" geschrieben - und dabei übersehen, dass d …

Mehr
Trump und die Presse
Trump und die Presse

15.11.2024

Zieht euch warm an

Alle vier Jahre grüßt das Murmeltier. Oder Donald Trump. Wer hätte gedacht, dass der Ex-US-Präsident noch einmal als Kandidat antreten wird? Und wer hätte gedacht, dass dieser Kandidat die Wahl gewinn …

Mehr
Koalitions-Aus
Koalitions-Aus

07.11.2024

Ende zur Unzeit

Das Ende der Ampelkoalition kommt für uns Journalisten zur Unzeit. Wichtige Gesetzesvorhaben liegen jetzt wieder auf Eis. Das Nachsehen hat die Qualität des Journalismus.

Mehr
US-Wahl
US-Wahl

05.11.2024

Despotie zum zweiten?

Heute entscheiden die Wählerinnen und Wähler in den USA darüber, wer für die nächsten vier Jahre ins Weiße Haus einzieht. Vom Ausgang der Wahl hängt viel ab - auch für die Journalistinnen und Journali …

Mehr
Wahlen
Wahlen

01.11.2024

Wie gut wir es doch haben

In den USA tobt wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl eine mediale Schlammschlacht. CNN und Fox News überbieten sich gegenseitig mit Polemiken über Kamala Harries und Donald Trump. Und in der Öffen …

Mehr
Journalistenbefragung
Journalistenbefragung

30.10.2024

So sind wir wirklich

Eine großangelegte Studie zum Journalismus in Deutschland hat die TU Dortmund durchgeführt. Rechtsextreme versuchen bereits, daraus Honig zu saugen.

Mehr
US-Wahlempfehlungen
US-Wahlempfehlungen

29.10.2024

Wo die Erde bebt

Weil die Washington Post auf Geheiß von Eigentümer Jeff Bezos keine Wahlempfehlung vor der US-Präsidentschaftswahl abgibt, laufen ihr die Abonnenten in Scharen davon. Der erste spektakuläre Fall, bei  …

Mehr
Ministerpräsidentenkonferenz
Ministerpräsidentenkonferenz

28.10.2024

In die Büsche geschlagen

Die Ministerpräsidenten haben mit ihren Entscheidungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor allem eines gezeigt: dass sie kein medienpolitisches Rückgrat haben. Blamabel.

Mehr
Tag der Entscheidung
Tag der Entscheidung

25.10.2024

Was muss noch passieren?

Heute beraten die Ministerpräsidenten über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Begleitet von Protesten der Kreativszene wollen die Länderchefs den Reformstaatsvertrag und damit das Aus f …

Mehr
Reformstaatsvertrag
Reformstaatsvertrag

24.10.2024

Online ohne Inhalte

Ein Teil des umstrittenen Reformstaatsvertrags ist der Versuch, die Presseähnlichkeit öffentlich-rechtlicher Digitalangebote ein für allemal zu unterbinden. Was das für die User bedeutet, hat die Tage …

Mehr
Journalismus
Journalismus

22.10.2024

Warum mache ich das - noch?

Das NDR-Medienmagazin Zapp hat eine beeindruckende Reportage über uns Journalisten und unser Umfeld gedreht. Eine Bestandsaufnahme mit Gruselfaktor.

Mehr
Gemeinnütziger Journalismus
Gemeinnütziger Journalismus

01.10.2024

Alles, nichts - oder?

Der gemeinnützige Journalismus braucht Rechtssicherheit. Warum das so ist, beschreibt Anne Webert, stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende.

Mehr
Christopher Street Day
Christopher Street Day

30.09.2024

Wie eine Frischzellenkur

Bei mehreren CSD-Paraden war der DJV in diesem Sommer aktiv dabei. Eine Bilanz zieht Christian Schäfer-Koch, Vorsitzender des DJV-Fachausschusses Chancengleichheit und Diversity.

Mehr
Christoph Maria Fröhder
Christoph Maria Fröhder

25.09.2024

Ein Top-Journalist ist tot

Im Alter von 81 Jahren ist der freie Fernsehjournalist Christoph Maria Fröhder gestorben. - Ein Nachruf von DJV-Pressesprecher Hendrik Zörner.

Mehr
BDZV
BDZV

20.09.2024

Wir hätten da eine Idee, Herr Eggers

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) bekommt einen neuen Hauptgeschäftsführer. Womit Jörg Eggers Geschichte schreiben könnte.

Mehr
ZDF-Streik
ZDF-Streik

19.09.2024

Wo bleibt die Aktualität?

Heute streiken die Beschäftigten des ZDF für höhere Einkommen. Aufgerufen hat unter anderem der DJV. Der Sender hat bereits reagiert und den Zuschauern am frühen Vormittag eine Voraufzeichnung des ZDF …

Mehr
Rechtsprechung
Rechtsprechung

18.09.2024

Reizschwelle Hitlergruß

Zum berüchtigten Sylt-Video gibt es jetzt zwei Gerichtsurteile, die sich scheinbar widersprechen. Aber nur scheinbar. Für Medien wird jetzt vieles klarer.

Mehr
BSW-Parteitage
BSW-Parteitage

16.09.2024

Wir müssen leider draußen bleiben

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat tatsächlich zwei Landesverbände gegründet, als seien die Parteitage Kaffeekränzchen in der guten Stube. Ein schlechtes Omen für das Verfassungsverständnis der neuen P …

Mehr
BSW
BSW

11.09.2024

Die nächsten Mediennörgler

Die Süddeutsche Zeitung hat untersucht, wie es das Bündnis Sahra Wagenknecht mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hält. Das Ergebnis aus journalistischer Sicht: Prost Mahlzeit.

Mehr
Doku "Die große Angst"
Doku "Die große Angst"

10.09.2024

Gänsehautfaktor

"Die große Angst." So heißt eine Dokumentation des MDR über die gesellschaftliche Lage in Ostdeutschland, die das Erste am Montagabend gesendet hat: exzellenter Journalismus mit Gänsehautfaktor.

Mehr