Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

Gesetzesvorhaben

Der Zwang zur Tarifeinheit bedeutet auch Nachteile für freie Journalisten

28.10.2014

Gemeinsam geht besser - Prinzip der FAIRhaltensregeln

Gesetz fördert Tarifkonkurrenz statt Einigkeit

Auch freie Journalisten trifft das Gesetz zur Tarifeinheit.  Das mag auf den ersten Blick überraschen. Doch für Freie, die als arbeitnehmerähnliche Personen gelten, gibt es an den Rundfunkanstalten Tarifverträge. Die Arbeitnehmerähnlichkeit beginnt schon, wenn ein Drittel des Einkommens von der Rundfunkanstalt stammt, bei einer ARD-Anstalt werden dabei auch die Einkünfte von anderen ARD-Anstalten berücksichtigt.

Wieso überhaupt ein Gesetz zur Tarifeinheit? Die gibt es doch schon, ganz ohne gesetzlichen Zwang, beispielsweise an den Rundfunkanstalten. Dort werden die Tarifverträge für Feste und Freie seit Jahrzehnten gemeinsam von DJV, ver.di (vorher war es die IG Medien) und, soweit am Sender vorhanden, mit der VRFF abgeschlossen, die vor allem Mitarbeiter aus der Verwaltung und Technik organisiert.

Natürlich heißt das nicht, dass es zwischen den Gewerkschaften bis zum Tarifabschluss immer harmonisch läuft. Schon in den internen Vorbereitungskommissionen gilt es, einen Konsens zwischen den Vertretern der eigenen Gewerkschafft zu finden. Ein freier Mitarbeiter aus dem Bereich Fernsehen hat mitunter ganz andere Probleme als Freie in der Onlineredaktion. Wenn dann die Gewerkschaften zu einer gemeinsamen Vorbereitungsrunde zusammen sitzen, wird manches Mal deutlich, dass der DJV, der allein die journalistischen Mitarbeiter, beispielsweise Moderatoren und Reporter vertritt, sich - zu Recht - von den Vertretern von ver.di anhören muss, man vergesse die oft niedrig bezahlten Mitarbeiter in der Technik.

Meist führen die Diskussionen zwischen Gewerkschaften dann zu einem Kompromiss. Aber mitunter kommt es zu keiner Einigung. Da kann es passieren, dass eine oder zwei Gewerkschaften mit der Rundfunkanstalt einen Tarifabschluss erzielen, die dritte Gewerkschaft "schaut in die Röhre". Das ist bisher selten vorgekommen, aber passiert. Für die Gewerkschaft, die draußen vor blieb, war das aber nicht immer tragisch. Sie konnte den Tarifabschluss kritisieren und war in der Regel bei der nächsten Tarifverhandlung wieder dabei und schloss dann eben den nächsten Tarifvertrag wieder mit ab.

Tarifeinheit funktioniert also - im Prinzip - schon heute, ganz ohne gesetzlichen Zwang. Wozu also ein Gesetz? Nun gut, käme der Zwang zur Tarifeinheit und damit verbunden das Prinzip, dass nur der Tarifvertrag der größten Gewerkschaft gilt, würde sich vermutlich so ganz schnell gar nichts ändern. Denn in der Regel sind die Festen und Freien bei DJV, ver.di und VRFF kollegial und oft auch freundschaftlich verbunden, man kennt sich ja aus dem Betrieb. Daher würde es vielleicht so ganz schnell noch keinen Konflikt geben. Freilich würden die Geschäftsleitung vielleicht das eine oder andere Mal versuchen, eine erste Sondierung nur mit der Gewerkschaft durchzuführen, die sie für größer hält. Auch, um die Gewerkschaften gegeneinander auszuspielen. Und eventuell würde dem einen oder anderen einfallen, dass es eigentlich einfacher ist, den Tarifvertrag alleine zu verhandeln statt lange mit anderen Gewerkschaften zu diskutieren, weil Zeit Geld ist und der Vorschlag des Senders den Interessen der eigenen Mitglieder entspricht. Vieles ist möglich.

Im Konfliktfall gewinnt, wer größer ist. Nur der Tarifvertrag des Größeren gilt, nur dieser wird vom Sender wirklich ernstgenommen. Größer - das wird immer dann der Fall sein, wenn DJV und ver.di - wie bisher - "Seit an Seit" verhandeln. Was aber, wenn sich diese einmal wegen irgendeiner Spezialfrage doch zerstreiten? Beide Seiten nach dem Dritten streben, der VRFF oder noch anderen, und auf diese Weise Mehrheiten bauen? Wer ist größer? DJV oder  ver.di? Das Rätselraten beginnt dann und zugleich das hastige Werben neuer Mitglieder, sollten die Zahlen für den einen oder anderen nicht so gut ausfallen.

Der Betrachter merkt, wie absurd das ganze Spiel ist. Gewerkschaften, die eigentlich ihre Energie darauf richten müssten, zusammen etwas für die Beschäftigten zu unternehmen, vor allem überhaupt mehr Mitarbeiter für die Mitwirkung im Betrieb zu mobilisieren, ja, überhaupt erst einmal mehr Mitglieder zu werben, werden durch das Gesetz zur Tarifeinheit tendenziell in den Konflikt untereinander getrieben. Auch wenn in den Vorständen der Gewerkschaften die Liebesschwüre anfangs noch ganz laut sein werden, nehmen die zentrifugalen Kräfte zu.

Der Zwang zur Tarifeinheit katalysiert damit fatalerweise die Tarifkonkurrenz. Statt Streit beizulegen, stiftet er ihn erst. Und einen "Sieger" wird es nicht geben. Denn wenn es eine Gruppe im Betrieb gibt, die über die andere dominiert, Journalisten über Techniker oder Technik und Verwaltung gegenüber Journalisten, dann ist das eine Niederlage für alle. Denn alle, Feste wie Freie, sind nur solange stark, wie sie im Zweifelsfall einen Betrieb gemeinsam lahmlegen können. Alle bisherigen Fortschritte für die Freien kamen nur durch den gemeinsamen Druck von Festen und Freien aus allen Gewerkschaften.

Da das Gesetz schon fast unausweichlich scheint, bleibt nur noch zu hoffen, dass sich die Verhandlungskommissionen der Gewerkschaften deswegen nicht in künstliche Konflikte zu Lasten aller treiben lassen. Allein, die Hoffnung ist ein schlechter Baustein.

Wer an dieser Stelle noch nicht mit dem Lesen aufgehört hat, wundert sich vielleicht noch, warum hier immer von den Tarifverträgen an Rundfunkanstalten die Rede ist, nicht aber vom Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen an Tageszeitungen. Auch an den Tageszeitungen droht natürlich das gleiche Szenario. Aber hier wird der Tarifvertrag nur von sehr wenigen Freien überhaupt wahrgenommen, weil die meisten Zeitungen ihn trotz Tarifbindung nicht einhalten und die Freien wiederum aus Furcht, ihren Auftraggeber zu verlieren, nicht auf Einhaltung klagen. Ein Tarifvertrag, der kaum angewendet wird, müsste eigentlich dringend ausgebaut werden.

Auch in anderen Bereichen der Medien wären funktionierende Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen dringend notwendig. Doch alles das wird aber schwieriger werden, wenn die Gewerkschaften nicht mehr gemeinsam, sondern gegeneinander operieren müssen.


MH

freienblog

Weitere Artikel im DJV-Blog

Charlotte Merz
Charlotte Merz

15.05.2024

Die Richterin und das Grundrecht Pressefreiheit

Mit ihrem resoluten Vorgehen gegen einen ZDF-Reporter offenbart Richterin Charlotte Merz ein fragwürdiges Verhältnis zum Grundrecht der Pressefreiheit.

Mehr
STREIK BEIM WDR
STREIK BEIM WDR

07.05.2024

Gier auf Kosten der Freien

Dass Medienunternehmen in Tarifverhandlungen knauserig sind, ist nicht neu. Dass manche von ihnen erst durch Arbeitskämpfe zu besseren Angeboten zu bewegen sind, auch nicht. Dass aber die Honorare der …

Mehr
RAI
RAI

06.05.2024

Legt die Arbeit nieder

Beim italienischen Fernsehsender RAI wird heute gestreikt. Nicht für mehr Geld oder neue Tarifverträge, sondern gegen die Einmischungen der Regierung in die Programminhalte.

Mehr
ITALIEN
ITALIEN

26.04.2024

Hände weg von der RAI

Die Versuche der politischen Einflussnahme durch die Regierung Meloni auf den Rundfunksender RAI nehmen zu. Anfang Mai soll es deshalb einen Streik geben.

Mehr
MEDIENKRITIK
MEDIENKRITIK

25.04.2024

Til Schweiger überzieht

Im Interview mit der Zeit übt Schauspieler und Regisseur Til Schweiger heftige Kritik an einigen Medien. Das kann nach der Berichterstattung über ihn nicht verwundern. Aber bei Kritik belässt er es ni …

Mehr
WDR-RUNDFUNKRAT
WDR-RUNDFUNKRAT

24.04.2024

Zeichen gesetzt

Der Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks fordert von dem Sender rechtliche Schritte, wenn die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von der Politik nicht zügig beschlossen wird.

Mehr
JOURNALISTEN
JOURNALISTEN

22.04.2024

Wir sind kein Klischee

Warum nur geraten Journalisten im Spielfilm so gnadenlos daneben? Weil die Drehbuchschreiber keine Ahnung vom Journalismus haben? Oder weil sich das Klischee besser verkauft als die Wirklichkeit?

Mehr
URLAUBSENTGELT
URLAUBSENTGELT

19.04.2024

Freie, aufgepasst!

Freie beim Deutschlandradio haben Anspruch darauf, dass Wiederholungshonorare für die Berechnung des Urlaubsentgelts berücksichtigt werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurt …

Mehr
TARIFKONFLIKT
TARIFKONFLIKT

17.04.2024

Hoch zu Ross

750 Beschäftigte des Westdeutschen Rundfunks hatten gestern die Nase voll und beteiligten sich am Warnstreik der Gewerkschaften. Bestätigt wurden sie von den Verhandlern der Gegenseite.

Mehr
PROSIEBENSAT.1
PROSIEBENSAT.1

16.04.2024

Berlusconi ante portas

Droht der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 von Hauptaktionär Media for Europe übernommen zu werden? Die Medienaufsicht sollte ihren Blick schärfen.

Mehr
FERNSEHNACHRICHTEN
FERNSEHNACHRICHTEN

15.04.2024

Angekündigte Katastrophe

Mehrere Stunden lang flogen iranische Drohnen Richtung Israel. Stunden, in denen die Öffentlich-Rechtlichen ihr Programm hätten umkrempeln können. Doch bis zu Sondersendungen in ARD und ZDF vergingen  …

Mehr
SWMH
SWMH

11.04.2024

Tröpfchen-Kommunikation

Die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), zu der die Süddeutsche Zeitung gehört, tut sich schwer mit klaren und umfassenden Fakten zum geplanten Stellenabbau bei der SZ.

Mehr
ÜBERGRIFFE
ÜBERGRIFFE

09.04.2024

Nicht mehr so schlimm?

Laut Reporter ohne Grenzen ist die Zahl der Übergriffe auf Journalisten 2023 gegenüber dem Vorjahr stark gesunken. Grund zur Entwarnung? Eher nicht.

Mehr
HÖCKE-INTERVIEWS
HÖCKE-INTERVIEWS

08.04.2024

Mit Präzision begegnen

Wie lassen sich Interviews mit Thüringens AfD-Politiker Björn Höcke führen? Sollten sie überhaupt geführt werden? Damit hat sich die Süddeutsche Zeitung in einem lesenswerten Bericht auseinandergesetz …

Mehr
FÖDERL-SCHMID
FÖDERL-SCHMID

05.04.2024

Hexenjagd geht weiter

Die Universität Salzburg bescheinigt der stellvertretenden SZ-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid "kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten". Sie darf ihren Doktortitel behalten. Das sieht …

Mehr
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST

04.04.2024

Nah am Rand

Über das "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland" sind die notorischen Medienhasser in den Social Media aus dem Häuschen. Bei aller berechtigten Kritik an den Öffentli …

Mehr
KÖLNER STADT-ANZEIGER
KÖLNER STADT-ANZEIGER

03.04.2024

Vermarkter am Ruder

Die Online-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers soll der digitalen Produktentwicklung unterstellt werden und angeblich redaktionell unabhängig bleiben. Zweifel sind angebracht.

Mehr
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

28.03.2024

Die Leser sind nicht blöd

Zeitungsleser wollen für Inhalte, die mit KI erzeugt werden, weniger bezahlen. Das ergab eine Umfrage. Eigentlich eine klare Aussage - wären da nicht Marketingexperten, die Morgenluft wittern.

Mehr
VOICES FESTIVAL
VOICES FESTIVAL

27.03.2024

Journalismus trifft Medienkompetenz

Nur wenn Qualitätsjournalismus und Medienkompetenz zusammenspielen, kann eine Zukunft gelingen, in der der Mensch im Mittelpunkt steht, fand DJV-Vorstandsmitglied Ute Korinth in Florenz heraus.

Mehr
TELEGRAM
TELEGRAM

26.03.2024

Schluss mit lustig

Ein spanisches Gericht hat den Messengerdienst Telegram in dem Land abgeschaltet. Grund sind Verstöße gegen das Urheberrecht.

Mehr