Erdogan-Besuch
Der ungeliebte Gast
Was tun mit dem türkischen Präsidenten Erdogan, wenn er Ende September Deutschland besucht? Natürlich so empfangen, als ob er ein lupenreiner Demokrat wäre, lautet die offizielle Devise. Als ob die unschuldig inhaftierten Journalisten kein Thema wären.
Angeblich soll die Lage der Menschenrechte in der Türkei, also auch der Pressefreiheit, angesprochen werden, ließ sich Außenminister Heiko Maas in diesen Tagen schon mal vorsorglich zitieren. Ob das sein Parteigenosse, der amtierende Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, genauso sieht? Vielleicht, aber der schon jetzt feststehende äußere Rahmen produziert für die Öffentlichkeit andere Bilder: Da Recep Tayyip Erdogan wie ein wichtiger Staatsgast mit militärischen Ehren am 28. September empfangen werden soll, wird so getan, als ob die deutsch-türkischen Beziehungen exzellent wären. Warum Erdogans Deutschlandaufenthalt nicht zum Arbeitsbesuch heruntergestuft wird, bleibt Steinmeiers Geheimnis.Haben die deutschen Spitzenpolitiker schon vergessen, dass Erdogan den "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel ein Jahr lang unschuldig und ohne Anklage im Gefängnis schmoren ließ? Dass die Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu zusammen mit ihrem kleinen Kind eingesperrt wurde, weil sie angeblich Terroristen unterstützt haben soll? Dass nach wie vor Dutzende von Journalisten in türkischen Gefängnissen sitzen, weil sie sich in ihren Berichten kritisch mit Erdogan und seinem AKP-Regime auseinandergesetzt hatten? Und das sind nur die Verstöße gegen die Pressefreiheit.Mit Erdogan zu reden ist ein Muss für Deutschlands Spitzenpolitiker. Ihm bei seinem Besuch Ehre angedeihen zu lassen ist ein Kotau, der durch nichts zu rechtfertigen ist.Ein Kommentar von Hendrik Zörner