Zeitungssterben geht weiter
Der Kapitalismus braucht die Demokratie nicht
Zu Beginn der 2020er Jahre setzt sich das Zeitungssterben fort. Das hat viel mit einem Hyperkapitalismus zu tun, dessen Geburtsstunde mit dem Ende des Kalten Krieges zusammenfällt.
In diesen Tagen bangen einmal mehr zahlreiche Journalistinnen und Journalisten zusammen mit ihren Redaktionskollegen um ihre Arbeit. Die "Westdeutsche Zeitung" streicht rigide zusammen, was von dem einst stolzen Regionalblatt über ist. Die Mitarbeiter der "Mopo" erfahren aus der Zeitung, dass eine Komplettschließung ihrer Redaktion droht. Die Medienvielfalt schrumpft weiter, im Lokalen sieht es düster aus. Ein Ende ist nicht absehbar.
Natürlich gibt es weiterhin sehr gute Lokalberichterstattung und nicht alle Lokalmedien sind ein Zuschussgeschäft für ihre Verleger. Innovation und Rückgrat in Redaktionen und Geschäftsführung können auch in Zukunft wirtschaftlich erfolgreiche Lokalzeitungen produzieren. Was sie aber nicht können, ist jedes Jahr zweistellige Rendite zu garantieren. Es gibt keine Zauberformel, die das möglich macht und selbst in der goldenen Ära der Zeitungsbranche gab es zwischendurch immer wieder maue Jahre.
Mit dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1990 endete der Kalte Krieg. Was vor 30 Jahren als Sieg des demokratischen Westens gefeiert wurde, ist rückblickend die Geburtsstunde des ungezügelten Kapitalismus. Unser Wirtschaftssystem hat sich seither weitgehend entkoppelt vom einstigen Primat demokratisch legitimierter Regulierung. Der Kapitalismus funktioniert in China und Saudi-Arabien so gut wie in den USA und der EU, wenn nicht sogar effizienter. Er giert beständig nach Wachstum. Unternehmen arbeiten nur nach dem Prinzip des Share-Holder-Value. Allenthalben regiert die Börsenlogik kurzfristiger Profite.
Vor diesem Hintergrund ist das Nachrichtengeschäft mit seinen hohen Kosten und überschaubaren Margen schlicht uninteressant geworden, wie auch der gegenwärtige Umbau des Springer-Konzerns unter der Beteiligung von KKR demonstriert. Das Zeitungssterben ist keine Medienkrise. Es ist die Folge eines Wirtschaftssystems, das sein angestammtes Gesellschaftssystem, die Demokratie, nicht braucht. Das Zeitungssterben ist Ausdruck einer tiefgreifenden Systemkrise.
Ein Kommentar von Sebastian Huld.