Merkurist
Der heiße Scheiß aus Mainz
Über kaum ein journalistisches Startup wird derzeit so viel geredet wie über “Merkurist”. Geschäftsführer Manuel Conrad (@manco84) hat beim Panel dann auch alle Hände voll zu tun, auf Fragen und Kritiker einzugehen.
So innovativ ist es auf den ersten Blick gar nicht, was Merkurist macht. Die Online-Zeitung fordert ihre Leser auf, Themenvorschläge einzureichen und lässt dann die Leserschaft darüber abstimmen, ob diese “Snips” recherchiert werden sollen. Ein Beispiel: Ich komme beim Spaziergang an einem leerstehenden Gebäude vorbei und frage mich, was damit passieren wird; ich mache ein Foto davon und stelle den Snip ein - und wenn es auch genug andere Leser interessiert, wird die Geschichte bald im Merkurist aufgelöst.
Das führt zu einer starken Community mit einer hohen Bindung zum Produkt - “und einige meiner besten Mitarbeiter bezahle ich nicht”, sagt Conrad, denn zu der Recherche tragen die Leser häufig hilfreiche Fakten, Bilder und Dokumente bei.
Merkurist will genau wissen, wie weit der Nutzer gelesen hat
Conrad hat große Expansionspläne
Conrads Pläne sind groß. Denn er glaubt, dass Merkurist nicht nur in Mainz funktionieren würde. Wiesbaden und Frankfurt waren die ersten Stationen der Expansion, aber es soll noch weitergehen: “In 2020 soll es unsere ‘Newsroom’-Software in jeder deutschen Stadt geben”, hofft Conrad für die Zukunft. Dabei könnten Verlage Lizenzpartner sein, aber auch Unternehmen anderer Branchen oder sogar freie Journalisten.
Kritische Fragen aus dem Publikum Ganz ohne Störgeräusche wird das aber sicher nicht ablaufen. Beim Panel kritisiert ein Teilnehmer, dass Merkurist vor der Bundestagswahl fast ausschließlich AfD-Werbung ausgespielt habe. Andere schütteln den Kopf als klar wird, dass die Leser - ohne Bezahlung - am Produkt mitarbeiten. Es wird getuschelt, ob der Leser eigentlich wisse, dass Merkurist die Daten über sein Leseverhalten erfasse. Und als Conrad sein Question Marketing vorstellt, wirkt er kurz überrumpelt, als aus dem Publikum die Frage kommt, ob er diese Anzeigen denn auch als solche kennzeichne.Das Interesse an Merkurist ist jedenfalls enorm bei der “Besser Online”-Tagung - und es scheint fast sicher, dass das junge Unternehmen auch in Zukunft viel Staub in der Branche aufwirbeln wird.