Markenrecht
Der Begriff "Webinare" dürfte ein Allgemeinbegriff sein und markenrechtlich keinen Schutz genießen
Im Netz kursieren auf verschiedenen Seiten Meldungen zum Thema "Begriff Webinar ist markenrechtlich geschützt". Auch auch juristischen Abteilungen einiger öffentlicher Einrichtungen kommen - sichtlich in Folge dieser augenscheinlichen Kettenreaktion - bereits Anweisungen an die untergeordneten Stellen, die weitere Nutzung dieses Wortes zu unterlassen. Ein Urteil eines deutschen Gerichtes, das diese Sorgen stützt, wird dabei aber nicht genannt.
Hierzu die Rechtsauffassung des DJV-Bundesverbandes:
Nach § 8 Absatz 2 Markengesetz können Allgemeinbegriffe markenrechtlich nicht geschützt werden. Der Begriff Webinar ist in den letzten zehn Jahren definitiv in Deutschland zum Allgemeinbegriff geworden, war es aber vermutlich auch schon vorher. Zwar wird der Begriff ausgerechnet beim Duden mit dem US-Kennzeichnen R im Kreis gezeigt, aber auch Patentanwälte und Bundesbehörden benutzen ihn für ihre Webinare ohne dieses Zeichen. Auch in den USA und anderen Ländern wird der Begriff durchgehend ohne eine solche Kennzeichnung und sichtlich ohne solche Bedenken genutzt. Eine Verpflichtung zur Anzeige dieses Zeichens besteht nach Ansicht des DJV nach nicht und auch eine rein "präventive" Nutzung des "R"-Zeichens erscheint ebenfalls wenig sinnvoll, weil damit letztlich der Markenschutz oder die mögliche Berechtigung dazu zumindest dem Grunde nach anerkannt sein könnte.
Es erscheint daher als recht wahrscheinlich, dass ein eventuell geltend gemachter Markenschutz unwirksam ist und das Risiko, dass sich Abmahnvereine oder -anwälte, wie kolportiert, melden, einzugehen ist.
Es kann also nach Ansicht des DJV nach weiterhin mit dem Begriff Webinar gearbeitet werden, und auch ohne Verwendung des R im Kreis.
Natürlich handelt es sich bei dieser Feststellung nur um eine unverbindliche Rechtsmeinung des DJV-Bundesverbandes, für die mangels einschlägiger Gerichtsurteile und höchstrichterlichen Feststellungen keine Gewähr übernommen werden kann. Wer häufiger mit dem Begriff arbeitet und daher in den Fokus von Abmahnanwälten geraten kann, sollte natürlich wie jedes im Netz aktive Unternehmen eine Versicherung für Vermögenschäden haben, zu denen in der Regel auch Schäden durch Verletzung von Markenrechten zählen. Mit dieser kann gegebenenfalls auch schon vorab versucht werden abzuklären, ob diese dieses Risiko weiter versichern will.
Der DJV-Versicherungsmakler (djv.de/versicherungen) berät in der Frage der Auswahl von geeigneten Vermögenschadenversicherungen.
Eine entsprechende Analyse mit weitergehenden Erläuterungen findet sich auch beim Deutschen Forschungsnetz dfn.de. Dort heißt es unter anderem:
"Des Weiteren könnte § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG für den Begriff Webinar von Bedeutung sein. Dort heißt es unter anderem, dass solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen sind, die ausschließlich aus Zeichen bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch zur Bezeichnung von Dienstleistungen üblich geworden sind. Die Üblichkeit der betreffenden Zeichen drückt sich derart aus, dass diese Zeichen von den durch die Dienstleistung angesprochenen Beteiligten als Gattungsbezeichnung, Werbeslogan oder informationeller Hinweis aufgefasst werden. Wenn innovative Dienstleistungen angeboten werden, die einen Neologismus als Bezeichnung erhalten, kann eine solche Gattungsbezeichnung vorliegen (so etwa beim Begriff Plexiglas). Aus heutiger Sicht scheint der Begriff Webinar hierunter zu fallen. Letztlich kommt es insbesondere darauf an, ob die Verbraucher, also die potentiellen Teilnehmer von Webinaren, diesen Begriff als üblich ansehen. Hier ist wohl davon auszugehen, dass der durchschnittliche Verbraucher den Begriff Webinar mit irgendeinem im Internet angebotenen Seminar in Verbindung bringt."
Update 2. Juli 2020:
Auch ein Beitrag des Rechtsanwalts und Fachanwalts für IT-Recht sowie Urheber- und Medienrecht Dr. Maximilian Greger macht deutlich, dass der "Allerweltsbegriff" Webinar kein größeres Problem darstellen dürfte: "[Es]...dürfte die Wahrscheinlich äußerst gering sein, dass der Markeninhaber seine Rechte tatsächlich durchsetzt", schreibt er aktuell im "Law-Blog".
Ein entsprechend ausführlicher Beitrag von Madelene Bauer (mit Lars Rieck) findet sich auf der Internetseite von Rieck & Partner Hamburg - Kanzlei für Urheber- und Medienrecht, Markenrecht, Wettbewerbsrecht.
Eine weitere entsprechende Position findet sich in einem Beitrag der Rechtsanwaltskanzlei D. Breymann Rechtsanwälte.
Update 3. Juli 2020
Professor Dr. Thomas Hoeren vom Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) der Universität Münster hat jetzt ein aktuelles Gutachten zur Frage der weiteren Nutzung des Begriffs Webinar vorgestellt (wissenschaftlicher Bearbeiter: Steffen Uphues), "dass eventuell alle Ängste in dieser Sache nimmt".
Michael Hirschler, hir@djv.de