Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

Misstrauen gegen Medien

Den Schalter umlegen

31.08.2022

Die Skepsis vieler Jugendlicher gegen Medien und ihre Inhalte ist ein Alarmzeichen. Es ist an den Journalist:innen, gegen zu steuern.

Ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland unterstellt Medien, absichtlich Nachrichten zu verschweigen oder Falschinformationen zu verbreiten. Zwei Drittel misstrauen Medien - und auch öffentlichen Einrichtungen. Diese Ergebnisse einer aktuellen Studie der Universität Bielefeld im Auftrag einer Pharmafirma erschüttern. Dass viele junge Menschen Medien und Journalist:innen offenbar nicht ausreichend vertrauen, ist brandgefährlich. Mittlerweile gibt es zwar Kritik an der Studie und den Vorwurf handwerklicher Fehler, unkommenteirt bleiben kann der Tenor der Ergebnisse allerdings nicht. Zu wichtig ist das Thema.
So ist diese Studie auf jeden Fall ein guter Anlass für Wissenschaftler, bei künftiger Forschung genauer unter die Lupe zu nehmen, wie der Nachwuchs zu Medien und Journalismus steht. Es steht viel auf dem Spiel. Denn gerade jetzt versuchen autokratische Regime und Verschwörungsgläubige mit Desinformations- und Propagandakampagnen vor allem in sozialen Netzwerken die ihnen verhassten Demokratien ins Wanken zu bringen. Es ist höchste Zeit für den Journalismus, um das Vertrauen der jungen Menschen zu kämpfen. Dieses Vertrauen ist überlebenswichtig. Nicht nur für die eigene Zunft: Unabhängiger, professioneller und kritischer Journalismus ist eine conditio sine qua non für den Fortbestand freiheitlicher Gesellschaften.
Die Aufgabe von uns Journalist:innen: ein waches Auge auf die Mächtigen haben, mit dem Scheinwerfer der öffentlichen Aufmerksamkeit vor allem auch die dunklen Ecken von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ausleuchten, Transparenz herstellen, den Finger in Wunden legen, kritische Fragen stellen, Raum für Diskussionen schaffen, Debattenräume herstellen. Eine funktionierende Zivilgesellschaft oder eine Demokratie können nur funktionieren, wenn Diskurse professionell, unabhängig und kritisch strukturiert werden. Diese wichtige Arbeit übernehmen Journalist:innen, sie ist zurecht vom Grundgesetz im Verfassungsrang geschützt. Warum dies wichtig ist, ist offenbar vielen jungen Menschen nicht bewusst - hier beginnen die Hausaufgaben. Es ist mehr Aufklärung über unsere Arbeit zwingend nötig.
Denn immer mehr ist es auch Aufgabe von Journalist:innen, Fakten von Fiktion zu trennen, durch einen Dschungel an Falschnachrichten zu navigieren - dort, wo sich gerade junge Nutzer:innen aufhalten, in den sozialen Netzwerken.
Nicht hilfreich ist es bei dieser Mission, wenn pro-russische Desinformationskampagnen eine Rekordmenge an Fakenews auskippen, die so aussehen, als stammten sie aus seriösen Nachrichtenquellen. Das Ziel ist für Medienprofis zwar leicht durchschaubar: Zweifel säen, Vertrauen in Institutionen - und auch die Presse - ins Schwanken bringen. Aber wie die Studie nun zeigt, haben solche Strategien offenbar leider bisweilen Erfolg.
Ja, natürlich gibt es Grund, Kritik zu üben an der Performance von Medien und Journalist:innen. Die Arbeit der freien Presse im Land ist alles andere als fehlerfrei. Institutionen wie der Presserat mit dem Pressekodex, eine bunte Landschaft an wachsamen Medienjournalist:innen, kritische Nutzer:innen und Leser:innen sind das nötige Korrektiv für jene, die ihrerseits oft als "vierte Gewalt" bezeichnet werden.
Dabei ist es sehr gut, dass Schülerinnen und Schüler laut Studie eine kritische Grundeinstellung haben. Die Bielefelder Forscher:innen unterscheiden so auch zwischen einer "gesunden Skepsis" und einer Verschwörungsneigung. Eine "gesunde Skepsis" ist dabei eine Grundvoraussetzung für Nachrichten- und Medienkompetenz, Verschwörungsneigung ist ein Symptom für ihre Abwesenheit. Wir haben also Hausaufgaben zu machen: Nachrichten- und Medienkompetenz ist eine Schlüsselkompetenz für Kinder und Jugendliche. Sie zu stärken, muss einen höheren Stellenwert in den Schulen bekommen. Nicht hilfreich ist dabei, dass viele Lehrer:innen gerade hier Defizite aufweisen. Vielleicht befeuert das auch Mythen wie die, dass Medien bewusst Nachrichten verschwiegen?
Es gibt Bundesländer wie Hessen, die mit einem neuen Schulfach "Digitale Welt" vorangehen. Solche Versuche bleiben aber nur ein guter Anfang. Viel Wegstrecke bleibt zu gehen. Und am Ende liegt es auch an den Medienhäusern und uns Journalist:innen, das Vertrauen der jungen Menschen zu gewinnen. Einerseits durch Handwerk: Wir müssen gute Arbeit leisten, die überzeugt. Und vor allem durchs Zuhören und Ernstnehmen. Was bewegt junge Menschen, was macht ihnen Angst, was sind ihre Themen? Kinder und Jugendliche müssen spüren, dass Journalismus sie und ihre Lebenswelt ernst nimmt. So hat der Journalismus auch die Chance, in dieser wichtigen Altersgruppe ernst genommen zu werden - sie ist unsere Zukunft.
Ein Kommentar von Mika Beuster

Online-Journalismus Social Media Medienkritik DJV-Blog

Weitere Artikel im DJV-Blog

Charlotte Merz
Charlotte Merz

15.05.2024

Die Richterin und das Grundrecht Pressefreiheit

Mit ihrem resoluten Vorgehen gegen einen ZDF-Reporter offenbart Richterin Charlotte Merz ein fragwürdiges Verhältnis zum Grundrecht der Pressefreiheit.

Mehr
STREIK BEIM WDR
STREIK BEIM WDR

07.05.2024

Gier auf Kosten der Freien

Dass Medienunternehmen in Tarifverhandlungen knauserig sind, ist nicht neu. Dass manche von ihnen erst durch Arbeitskämpfe zu besseren Angeboten zu bewegen sind, auch nicht. Dass aber die Honorare der …

Mehr
RAI
RAI

06.05.2024

Legt die Arbeit nieder

Beim italienischen Fernsehsender RAI wird heute gestreikt. Nicht für mehr Geld oder neue Tarifverträge, sondern gegen die Einmischungen der Regierung in die Programminhalte.

Mehr
ITALIEN
ITALIEN

26.04.2024

Hände weg von der RAI

Die Versuche der politischen Einflussnahme durch die Regierung Meloni auf den Rundfunksender RAI nehmen zu. Anfang Mai soll es deshalb einen Streik geben.

Mehr
MEDIENKRITIK
MEDIENKRITIK

25.04.2024

Til Schweiger überzieht

Im Interview mit der Zeit übt Schauspieler und Regisseur Til Schweiger heftige Kritik an einigen Medien. Das kann nach der Berichterstattung über ihn nicht verwundern. Aber bei Kritik belässt er es ni …

Mehr
WDR-RUNDFUNKRAT
WDR-RUNDFUNKRAT

24.04.2024

Zeichen gesetzt

Der Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks fordert von dem Sender rechtliche Schritte, wenn die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von der Politik nicht zügig beschlossen wird.

Mehr
JOURNALISTEN
JOURNALISTEN

22.04.2024

Wir sind kein Klischee

Warum nur geraten Journalisten im Spielfilm so gnadenlos daneben? Weil die Drehbuchschreiber keine Ahnung vom Journalismus haben? Oder weil sich das Klischee besser verkauft als die Wirklichkeit?

Mehr
URLAUBSENTGELT
URLAUBSENTGELT

19.04.2024

Freie, aufgepasst!

Freie beim Deutschlandradio haben Anspruch darauf, dass Wiederholungshonorare für die Berechnung des Urlaubsentgelts berücksichtigt werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurt …

Mehr
TARIFKONFLIKT
TARIFKONFLIKT

17.04.2024

Hoch zu Ross

750 Beschäftigte des Westdeutschen Rundfunks hatten gestern die Nase voll und beteiligten sich am Warnstreik der Gewerkschaften. Bestätigt wurden sie von den Verhandlern der Gegenseite.

Mehr
PROSIEBENSAT.1
PROSIEBENSAT.1

16.04.2024

Berlusconi ante portas

Droht der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 von Hauptaktionär Media for Europe übernommen zu werden? Die Medienaufsicht sollte ihren Blick schärfen.

Mehr
FERNSEHNACHRICHTEN
FERNSEHNACHRICHTEN

15.04.2024

Angekündigte Katastrophe

Mehrere Stunden lang flogen iranische Drohnen Richtung Israel. Stunden, in denen die Öffentlich-Rechtlichen ihr Programm hätten umkrempeln können. Doch bis zu Sondersendungen in ARD und ZDF vergingen  …

Mehr
SWMH
SWMH

11.04.2024

Tröpfchen-Kommunikation

Die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), zu der die Süddeutsche Zeitung gehört, tut sich schwer mit klaren und umfassenden Fakten zum geplanten Stellenabbau bei der SZ.

Mehr
ÜBERGRIFFE
ÜBERGRIFFE

09.04.2024

Nicht mehr so schlimm?

Laut Reporter ohne Grenzen ist die Zahl der Übergriffe auf Journalisten 2023 gegenüber dem Vorjahr stark gesunken. Grund zur Entwarnung? Eher nicht.

Mehr
HÖCKE-INTERVIEWS
HÖCKE-INTERVIEWS

08.04.2024

Mit Präzision begegnen

Wie lassen sich Interviews mit Thüringens AfD-Politiker Björn Höcke führen? Sollten sie überhaupt geführt werden? Damit hat sich die Süddeutsche Zeitung in einem lesenswerten Bericht auseinandergesetz …

Mehr
FÖDERL-SCHMID
FÖDERL-SCHMID

05.04.2024

Hexenjagd geht weiter

Die Universität Salzburg bescheinigt der stellvertretenden SZ-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid "kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten". Sie darf ihren Doktortitel behalten. Das sieht …

Mehr
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST

04.04.2024

Nah am Rand

Über das "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland" sind die notorischen Medienhasser in den Social Media aus dem Häuschen. Bei aller berechtigten Kritik an den Öffentli …

Mehr
KÖLNER STADT-ANZEIGER
KÖLNER STADT-ANZEIGER

03.04.2024

Vermarkter am Ruder

Die Online-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers soll der digitalen Produktentwicklung unterstellt werden und angeblich redaktionell unabhängig bleiben. Zweifel sind angebracht.

Mehr
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

28.03.2024

Die Leser sind nicht blöd

Zeitungsleser wollen für Inhalte, die mit KI erzeugt werden, weniger bezahlen. Das ergab eine Umfrage. Eigentlich eine klare Aussage - wären da nicht Marketingexperten, die Morgenluft wittern.

Mehr
VOICES FESTIVAL
VOICES FESTIVAL

27.03.2024

Journalismus trifft Medienkompetenz

Nur wenn Qualitätsjournalismus und Medienkompetenz zusammenspielen, kann eine Zukunft gelingen, in der der Mensch im Mittelpunkt steht, fand DJV-Vorstandsmitglied Ute Korinth in Florenz heraus.

Mehr
TELEGRAM
TELEGRAM

26.03.2024

Schluss mit lustig

Ein spanisches Gericht hat den Messengerdienst Telegram in dem Land abgeschaltet. Grund sind Verstöße gegen das Urheberrecht.

Mehr