Rechte Medienaktivisten
Das Gegenteil von Journalismus
Tweet: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier wird im Bundestag bedrängt und angepöbelt. Screenshot: tagesschau.de
Die AfD schleust Menschen ins Reichstagsgebäude, die Bundestagsabgeordnete anpöbeln und sich dabei filmen. Und auf den Demos gegen die Corona-Maßnahmen sind Personen unterwegs, die sich mit bunten Pappkarten als „Presse“ ausgeben. Auch wenn sie sich so nennen, Journalist*innen sind das nicht.
In seinem Kommentar in der FAZ vergleicht Michael Hanfeld Journalist*innen mit Akupunkteur*innen und Yoga-Lehrer*innen. Was weit hergeholt scheint, ergibt in dem gewählten Zusammenhang durchaus Sinn. Denn das sind alles Berufsbezeichnungen, die nicht geschützt sind. Anders als beispielsweise bei Ärzt*innen, Architekt*innen oder Rechtsanwält*innen darf sich jeder „Journalist*in“ nennen, eine Zugangsbeschränkung zum Beruf gibt es aus guten Gründen nicht. „Das Grundgesetz garantiert die freie Meinungsäußerung und damit den freien Zugang zum journalistischen Beruf“, so steht es im „Berufsbild Journalistin – Journalist“ des DJV. Schreiben, fotografieren, filmen, Videos und Podcasts produzieren und das ins Internet stellen ist heutzutage sowieso eine Leichtigkeit. Und es kann sich auch jeder eine bunte Pappkarte als „Presseausweis“ ausdrucken oder so einen „Ausweis“ bei verschiedenen Seiten im Internet kaufen, auch der Presseausweis ist als Titel nicht geschützt.
Sind also auch diejenigen, die da filmend und störend im Bundestag unterwegs waren oder auf Demos ihre YouTube-Filme produzieren Journalist*innen? Nein! Hanfeld hat recht, wenn er schreibt, dass das „Video, auf dem zu sehen ist, wie eine ehemalige Flüchtlingshelferin namens Rebecca Sommer Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier beschimpft, aufgenommen von einem Herrn Thorsten Schulte, zeigt, was Journalismus gerade nicht ist“ – denn das, was da passiert und veröffentlicht wird, ist das Gegenteil von Journalismus. Es ist Propaganda unter Ausnutzung der Meinungs- und Pressefreiheit. Und die, die das produzieren und veröffentlichen sind Medienaktivist*innen, aber sicher keine Journalist*innen – auch wenn sie sich selbst so nennen und ein selbstgebasteltes oder irgendwo bestelltes „Presseausweis“-Schildchen haben. Journalist*innen achten darauf, dass ihre journalistische Arbeit und ihre Veröffentlichungen nicht durch private, politische oder wirtschaftliche Interessen beeinflusst werden.
Seriösen und unabhängigen Journalismus fürchten und bekämpfen die Rechtspopulisten und Rechtsextremen wo es nur geht. Denn wirkliche journalistische Aufklärung ist ihnen, wie die Demokratie an sich, ein Dorn im Auge.
Ein Kommentar von Paul Eschenhagen