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Rassismus-Vorwürfe an WDR-Talk

Das "Darf man das noch sagen?"-Murmeltier

02.02.2021

WDR-Talk "Die letzte Instanz". Screenshot: wdr.de

Die öffentlich-rechtlichen Sender stehen unter Druck. Ausgerechnet jetzt sorgt der WDR mit einer völlig misslungenen Talkshow für einen verdienten Shitstorm.

Heute am 2. Februar ist Murmeltiertag. Und man kann sich schon ein bisschen so vorkommen wie Bill Murray in „Täglich grüßt das Murmeltier“, wenn man sich die Diskussion rund um die Rassismus-Vorwürfe gegen die WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“ anschaut, die im November gezeigt und am vergangenen Freitag als Wiederholung ausgestrahlt wurde. Dabei geht es nicht um die repetitiven Vorwürfe an die Sendung: Rassismus muss immer und immer wieder kritisiert werden.

Es geht um die Frage, wie eine Redaktion im Winter 2020/21 auf die Idee kommt, dass es sinnvoll sein könnte, zum gefühlt 100.000sten Mal die Frage „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen, oder?“ zu diskutieren - und diese Sendung dann auch nochmal zu wiederholen: Wie rassistisch kann Paprikasauce schon sein? Wie darf ein Schaumkussbrötchen noch heißen? Ist es rassistisch, sich als Weißer schwarz anzumalen (Stichwort „Blackfacing“)? Fühlen sich Menschen vom N-Wort, M-Wort oder Z-Wort verletzt? Fragen, welche Menschen, die wirklich etwas dazu zu sagen haben, schon seit langem klar und deutlich beantwortet haben.

Anstatt diese Fragen erneut wenigstens aus den notwendigen verschiedenen Blickwinkeln durchzukauen - Wiederholung fördert ja den Lerneffekt und über Rassismus muss gesprochen werden - entschied sich die WDR-Redaktion für den schon so oft schiefgegangenen Weg und lud vier weiße, privilegierte Menschen aus dem Showbusiness zum Gespräch darüber ein: Moderator Steffen Hallaschka diskutierte mit Thomas Gottschalk, Janine Kunze, Micky Beisenherz und Jürgen Milski.

Auch bei einer öffentlich-rechtlichen Unterhaltungssendung sollten die Mindeststandards journalistischen Handwerks eingehalten werden. Und eigentlich ist es doch ganz einfach: Schon eine kurze Recherche hätte der Redaktion eine Vielzahl an Menschen mit den unterschiedlichsten Erfahrungen, Expertisen und Hintergründen offenbart, von denen nicht wenige in der Lage sind, diese Fragen pointiert, fundiert und wahrscheinlich sogar unterhaltsam zu diskutieren. Trotzdem wurden keine Betroffenen, keine Expert*innen, keine anderen Stimmen eingeladen – journalistisches Komplettversagen.

Die Entrüstung, die sich vor allem in den Sozialen Medien entlud und mittlerweile zu entsprechender Berichterstattung in den meisten Qualitätsmedien geführt hat, war so vorhersehbar wie berechtigt. Die Argumente wurden alle schon oft vorgebracht, den Verantwortlichen beim WDR waren sie aber anscheinend neu. Vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk darf und muss man anderes erwarten können.

Einige der Teilnehmer*innen und der Sender entschuldigten sich, gelobten Besserung. Auch darin hat man beim WDR mittlerweile Routine. Und täglich grüßt das Murmeltier…

Ein Kommentar von Paul Eschenhagen

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