Journalismus in Österreich
Blick in den Abgrund
Bezahlter Gefälligkeitsjournalismus aus Steuermitteln? Das ist der Kern der Staatsaffäre, die seit einigen Tagen Österreich erschüttert. Für die Glaubwürdigkeit des Journalismus ist das verheerend.
Durchsuchungen im Wiener Kanzleramt, im Finanzministerium, in der Parteizentrale der ÖVP und in einem Verlag katapultierten das Thema gestern in die Öffentlichkeit. Seit Anfang 2016 sollen in der Zeitung Österreich Anzeigen geschaltet worden sein, die das Finanzministerium gezahlt hat. Im Gegenzug soll die Zeitung wohlwollende Berichterstattung über den heutigen Bundeskanzler Sebastian Kurz zugesagt haben.
Was an den Vorwürfen dran ist, wird wohl die Gerichte beschäftigen. Es ist damit zu rechnen, dass die Wahrheit noch Jahre braucht, um ans Licht zu kommen. Zumal Kurz die Vorwürfe zurückweist und nicht im Traum an politische Konsequenzen denkt.
Aber schon jetzt ist klar, dass die Glaubwürdigkeit des Journalismus in Österreich Schaden nimmt. Denn zumindest in der veröffentlichten Meinung hält niemand einen Deal "Geld für Jubeljournalismus" für unmöglich. Da drängen sich Erinnerungen an die Phrasen des Ex-Vizekanzlers Heinz Christian Strache im Ibizia-Video auf, der davon schwadroniert hatte, sich wohlwollende Berichterstattung der Kronen Zeitung sichern zu können.
Welch ein durchgeknalltes Verhältnis haben österreichische Spitzenpolitiker eigentlich zum Journalismus? Erst Strache, jetzt Kurz? Der eine hat von Lobhudelei in der Zeitung geträumt und musste gehen, der andere hat sie womöglich bezahlt und sitzt im Kanzleramt. Die Journalistinnen und Journalisten in unserem Nachbarland haben bessere Politiker verdient.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner