Honorare
Bitte arbeiten Sie doch kostenlos!
Keine Weihnachtsgeschichte.
Künstler und Publizisten beherrschen bekanntlich die Kunst, von Luft zu leben. Naja, von Luft leben ja auch alle, aber eben nur Künstler und Publizisten schaffen es eben, kein Geld für ihre Leistungen zu benötigen. Deswegen ist es bekanntlich auch richtig, dass die Piratenpartei das Urheberrecht abschaffen oder stark reduzieren will, denn das stört beim unbekümmerten Download allemal (zwar gibt es mit der Onleihe der Stadtbibliotheken mittlerweile durchaus auch legale Downloadmöglichkeiten, aber das erfolgt ja mit Digital Rights Management und ist allein schon deswegen pfui).
Arbeiten Sie bitte kostenlos! Das ist nicht nur die Forderung der Piratenpartei und dem mit ihr befreundeten Herrn Anonymous, sondern auch die aktuelle Forderung von Buchverlagen. Da flattert doch allen Ernstes einem Bildjournalisten ein Schreiben ins Haus, man würde gerne sein Bild einer Kirche kostenlos im Bildband soundso verwenden. Honorarfrei, bitte.
Honorarfrei, bitte.
Manchmal fehlt sogar das "Bitte". Ein Kollege in Berlin durfte unlängst erleben, dass er einem Magazin seinen Beitrag anbietet, das sich aber nicht zurückmeldet. Anschließend erscheint das Heft mit einem Beitrag zum Thema, aber von jemand anderem geschrieben für einen Preis von sage und schreibe - raten sie mal - ja, kostenlos. Damit das Thema aber noch anschaulicher wird, hat sich das Magazin dann an der Internetseite des freien Journalisten bedient und davon zwei Bilder ins Blatt genommen, ohne zu fragen, Namensnennung und für ein Honorar von - raten Sie mal - sage und schreibe: nicht vorgesehen.
Beide Kollegen klagen jetzt, der eine im moralisch-geschäftlichen Sinne, der andere im tatsächlichen juristischen Verständnis.
Honorarfrei wollen alle. Künstler und Publizisten leben bekanntlich von der Luft oder, wie unlängst die AG Dok herausfand, im Falle von Dokumentarfilmern auch einfach (wieder) von den Eltern. Die haben ja etwas Vernünftiges gelernt, Maurer oder Elektriker, da läuft zur Zeit das Geschäft ja ganz gut wegen (Noch-)Konjunktur.
Kostenlos will oder wollte Bildmaterial auch Instagramm haben, aber hat jetzt alles ganz schnell wieder richtig gestellt. Alles doch nicht so, heißt jetzt die Parole.
Wirklich, Instagramm?
Tatsächlich juckt es ihnen allen in den Fingern, ob sie Instagramm, Facebook oder Google Bildsuche heißen. Das Geschäft mit dem Material der anderen verheißt Millionengewinne. Die Google Buchsuche, längst zum Google (e-)Buchverkauf umgewidmet, ist nur ein erstes Pflänzchen im Urwald der Ausbeuter. Einfach mal machen - und wenn sich jemand beschwert, im Extremfall auch zahlen. Das Geschäftsmodell beherrschen Verlage seit langem, die Digitalbranche macht´s "nur" nach. Der fröhliche und DRM-freie Piratendownloader ist der Dritte im Bunde.
Charles Dickens, über dessen Weihnachtsgeschichte sich derzeit wieder so viele Kinder freuen, hat es schon vorgemacht. Trotz zahlreicher Prozesse gegen Urheberpiraten blieb ihm alsbald nichts anderes übrig, als Vortragsreisender zu werden. Übrigens auch so ein "Geheimtipp", der in den Beraterkreisen von Kunst und Publizistik die Dauerrunde macht: "Der freie Journalist ist heutzutage nicht nur Schreibender oder Bildermann/-frau, sondern als Trainer und Dozent tätig".
Ist nicht neu, die Vortragstätigkeit. Seit Jahrzehnten frieren sich Künstler und Publizisten auf irgendwelchen durchfrosteten Bahnsteigen und Omnibusbahnhöfen die Zehen ab, um zum Abendvortrag in der Volkshochschule oder Kirchengemeinde Dingelskirchen zu ziehen, um für brutto 120 Euro plus Fahrtkosten ÖPNV den Abendunterhalter zu machen, den alternativ allerdings auch Esoterikdienstleister oder Volkstanzgruppen ersetzen können. Weswegen man auch für solche Aufträge dankbar sein muss.
Vielleicht mit dem Thema: "Charles Dickens und wir".
Michael Hirschler, hir@djv.de