"Bild"
Journalismus ist kein Schlachtfest!
Überschrift des Artikels "Die Lockdown-Macher" auf bild.de. Screenshot: DJV
Dass die "Bild"-Zeitung Boulevard-Journalismus macht und provoziert, ist weder überraschend noch skandalös. Aber das wie zuletzt erfolgte Brandmarken von Wissenschaftler*innen geht zu weit.
Ich habe selbst früher für das Blatt geschrieben – und zwar gerne! Doch es gibt Grenzen, die auch "knalliger" Boulevard-Journalismus nicht überschreiten sollte. Dazu gehört aus meiner Sicht das unsägliche Anprangern von Wissenschaftler*innen durch die „Bild“ Anfang Dezember. "Experten-Trio schenkt uns Frust zum Fest", heißt es da in einer knalligen Überschrift mit Fotos von Forschenden. Diejenigen, die ihre Expertise zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in den öffentlichen Diskurs eingebracht haben, werden damit vorgeführt. Das gesellschaftliche Klima wird vergiftet, Journalismus wird als Schlachtfest zelebriert. Denn für den Fest-Frust ist das Virus verantwortlich, allenfalls sind es dann noch diejenigen, die auf der Grundlage von Fakten politische Entscheidungen treffen!
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die "Bild"-Zeitung derart verrennt. Beim DJV-Verbandstag Anfang November hatten die Delegierten eine Resolution verabschiedet, in der an alle Medienunternehmen appelliert wird, "sich die gesellschaftliche Verantwortung stärker bewusst zu machen". Bei aller gebotenen Zuspitzung würden sich Häme, Hass und Agitation verbieten, heißt es in dem beschlossenen Text. Es ist ein offenes Geheimnis, dass vor allem die "Berichterstattung" der "Bild"-Zeitung zu diesem Beschluss animiert hatte.
Im aktuellen Fall haben sich mehrere Wissenschafts-Organisationen an die Öffentlichkeit gewandt. Forscher*innen würden "zur Schau gestellt und persönlich für dringend erforderliche, aber unpopuläre Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung verantwortlich gemacht", heißt es in einer Mitteilung: Das könne "leicht zu einem Meinungsklima beitragen, das an anderer Stelle bereits dazu geführt hat, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sahen oder mit ihr bedroht wurden".
Erste Beschwerden dazu liegen inzwischen beim Deutschen Presserat vor. Selbst wenn der eine Rüge erteilt, heißt das aber nicht, dass die "Bild"-Zeitung damit fair umgeht. Der Axel-Springer-Verlag ist mit seinem Boulevardblatt Stammkunde bei den Tugendwächtern deutscher Medien. Man kassiert eine Rüge nach der anderen, und nur in den seltensten Fällen wird diese wie vorgesehen im Blatt abgedruckt. Hier gerät langsam Springer-Chef Mathias Döpfner in den Fokus. In seiner Funktion als Präsident des Bundesverbandes der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), der Mitträger des Selbstkontrollorgans Presserat ist, sollte er darauf hinwirken, dass die dort festgeschriebenen Regeln endlich eingehalten werden!
Ein Kommentar von Frank Überall