DJV-Konferenz "Besser Online"
Jetzt erst recht!
Eine Konferenz zum Onlinejournalismus mitten in der Pandemie? Na klar, jetzt erst recht! – und zwar natürlich virtuell. "Besser Online" fand am vergangenen Samstag statt, mit großem Erfolg.
"Wir brauchen gerade alle Mut. Den Mut, hinzufallen, den Mut zu lernen und dann gestärkt aufzustehen und weiterzugehen. Viele Kolleginnen und Kollegen sind in ihrer Existenz bedroht. Und uns allen sind Aufträge weggebrochen. Wir alle waren in einer Art Schockstarre – und jetzt bedarf es neuer Wege." Ute Korinth, Vorsitzende des Fachausschusses Online im DJV, wies mit ihren Worten zum Anfang der Konferenz die Richtung: neue Wege und eine Art "After Corona Journalism", ganz nach dem Motto der Tagung "Jetzt erst recht!".
Mit 25 Vorträgen und über 40 Referent*innen und Moderator*innen war das Programm prall gefüllt – und angesichts der rund 500 Teilnehmer*innen wohl auch gut ausgewählt. Die Themenvielfalt war auf jeden Fall beachtlich: von den zurzeit allgegenwärtigen Verschwörungsideologien über Datenjournalismus, Barrierefreiheit im Netz, dem "Corona Update" des NDR mit Christian Drosten, Vielfalt in den Redaktionen, Faktencheck und Verifikation, Podcasts, der Tagesschau auf TikTok, Gamification im Journalismus, dem Umgang mit Hate Speech bis hin zu handfesten Tipps und Tricks zum Umgang mit Verwertungsgesellschaften wie der VG Wort oder der VG Bild-Kunst und Erklärungen zum Selbstmarketing für freie Journalist*innen – und vielem mehr. Einen guten Überblick zum Verlauf der Konferenz gibt der Twitter-Kanal von Besser Online @djv_bo. Die Aufzeichnungen der einzelnen Sessions werden auf dem YouTube-Kanal des DJV veröffentlicht.
Den Anfang machte Nicole Diekmann, Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio Berlin, mit ihrer Keynote "Die Shitstormrepublik: Wie verkommen die Sozialen Netzwerke sind – und was wir als Medienschaffende dazu beigetragen haben!". Ein dringender Appell an Journalist*innen, Medien und Redaktionen, Social Media ernst zu nehmen und sich darüber im Klaren zu sein, dass Medienschaffende den Hass im Netz oft ungewollt verstärken, meist aus Unwissenheit und Unvorsichtigkeit. Denn "das Kellerkind Social Media hat es immer noch nicht geschafft, in den Redaktionen dieselbe Wichtigkeit eingeräumt zu bekommen wie Fernsehen oder Radio". Zeit für neue Wege!
Dass neue Wege aber auch neue Herausforderungen mit sich bringen, zeigte sich in den kleinen und größeren technischen Hürden, die zum Start und im Verlauf der Online-Konferenz immer mal wieder leider für ein bisschen Verwirrung, Verärgerung und Belustigung bei den Teilnehmer*innen und Referent*innen sorgte – und für das eine oder andere zusätzliche graue Haar und einen heißgelaufenen Chat bei den Organisator*innen im Hintergrund. Umso mehr freuten da auch Tweets wie "Dem @djv_bo einmal ein Kompliment für die Technik - das funzt besser als etliche andere Konferenzen, die ich so erlebt habe die letzten Wochen und Monate. #djvbo". Die Lernkurve war bei allen Beteiligten auf jeden Fall sehr steil.
"Journalism Reborn From The Ashes" hatte Jeff Jarvis seinen Talk zum Abschluss der Veranstaltung genannt. Im Gespräch mit Moderator Peter Jebsen zeigte der US-amerikanische Journalist, Professor und ehemalige Fernsehkritiker meinungsstark die Schwächen und Herausforderungen der Medien in Deutschland, Europa und den USA auf. Eingangs wiederholte er seine Forderung aus dem Interview mit dem journalist: "Das Haus des Journalismus brennt. Corona hat Schießpulver auf das Haus gestreut, und nun explodiert es. Es ist nicht garantiert, dass es komplett abbrennt. Aber fest steht, dass das, wovon wir dachten, es sei eine Krise, nun um ein Vielfaches schlimmer ist. Wir müssen viel tiefergreifende Fragen darüber stellen, wie wir uns als Journalisten neu erfinden können. Wir können diese Zeit als eine Chance sehen, zu erkennen, dass es neue Wege des Journalismus gibt und neue Wege, für die Öffentlichkeit da zu sein." Neue Wege also – jetzt erst recht!
Ein Kommentar von Paul Eschenhagen