Frank Plasbergs Zwischenruf
Bedenklich
Frank Plasberg, als Ex-Moderator der ganzen Republik bekannt, fragt in seinem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung, ob er seinem Sohn zum Journalistenberuf raten kann. Sein Ja ist an Bedingungen geknüpft.
Hart ins Gericht geht Frank Plasberg mit dem Haltungsbegriff, der seit einigen Jahren durch den Journalismus wabert. "Haltung ersetzt keine Recherche", sagt er unumwunden und liefert als Beispiel den Fall Gil Ofarim, dessen Antisemitismusvorwurf gegen Beschäftigte eines Hotels sich viele Medien angeschlossen haben, ohne ihn sorgfältig überprüft zu haben. An die Stelle von Haltung will Plasberg Anstand setzen. Und er appelliert an die angehenden Journalisten, auf ihr Bauchgefühl zu hören, wie er am Beispiel der deutschen Gasspeicher in russischem Besitz vor Kriegsausbruch klar macht. Und dann ist da noch die Themenwahl im Journalismus, die er sich anders wünscht: "Alles, worüber Bürger reden, was sie in ihrem Alltag bewegt, wird mehr und mehr Gegenstand der journalistischen Alltagsarbeit." Wie sieht nun sein Rat an seinen Sohn aus? "Ja, würde ich meinem Sohn sagen: Jetzt erst recht, diese Gesellschaft braucht glaubwürdigen Journalismus dringender denn je."
Ob man ihm rundweg zustimmen will? Sicher nicht. Journalistische Haltung wurde eingefordert, als Grund- und Menschenrechte vor einigen Jahren erstmals von einer wachsenden Gruppe in der Bevölkerung missachtet wurden. Die Forderung an den eigenen Berufsstand war nicht verkehrt. Mit dem Begriff Inflation zu treiben und Recherchemängel überdecken zu wollen, ist es schon.
Mit Frank Plasberg äußert sich nicht irgendwer über den Journalismus, sondern ein gestandener Profi, der aus jahrzehntelanger Praxis weiß, wie wir "ticken". Weil er in dieser Zeit auch die Veränderungen erfahren hat, dürfte ihm klar sein, dass Journalistinnen und Journalisten durchaus in der Lage sind, sich selbst und aktuelle Trends in den Redaktionen zu hinterfragen.
Das ist offenbar nötig. Denn die Kritik am Journalismus wird nicht nur von denen geäußert, die damit eine politische Agenda verknüpfen. Wir müssen auf der Hut sein, damit auch morgen noch Leute wie Frank Plasberg ihren Kindern und Enkeln zum Journalistenberuf raten können, ohne rot zu werden.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner