Urheberrecht
Auflistung von Links auf Internetseite zulässig, entscheidet der Europäische Gerichtshof
Aus für das Leistungsschutzrecht der Presseverleger?
Es ist urheberrechtlich zulässig, auf einer Internetseite Links zu veröffentlichen, die auf öffentlich zugängliche Beiträge auf anderen Seiten verweisen. Dabei ist es gleichgültig, ob auf den ersten Blick der Eindruck entstehen kann, dass die Inhalte gar nicht auf einer anderen Internetseite zu finden sind. Ein Link sei keine öffentliche Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Werks. Davon abweichendes nationales Recht ist unwirksam. Das hat der Europäische Gerichtshof am 13. Februar 2014 entschieden.
In der Entscheidung wurde offengelassen, ob diese Regelung auch gilt, wenn die Auflistung der Artikel aus den Überschriften oder auch dem Anfang der Beiträge besteht. In der Vergangenheit hatte der EUGH bereits bei einer Textlänge von 11 Wörtern einen Urheberrechtsschutz bejaht.
Auf jeden Fall dürften aber mit dem Urteil Links, die nicht mit der Überschrift identisch sind und auch keine Textteile übernehmen, zulässig sein.
Das Urteil entspricht grundsätzlich der so genannten "Paperboy"-Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshof, der bereits im Jahr 2003 Internetlinks für urheberrechtlich zulässig gehalten hatte. Auch dieser hatte entschieden, dass Internetlinks keine öffentliche Wiedergabe eines urheberrechtlichen Werks seien.
Dennoch stellt sich aber die Frage nach der Auswirkung des Urteils auf das im Jahr 2013 eingeführte Leistungsschutzrecht der Presseverleger.
Dieses sieht vor
"§ 87f Urheberrechtsgesetz
Presseverleger
(1) Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte. Ist das Presseerzeugnis in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller.
§ 87g
Übertragbarkeit, Dauer und Schranken des Rechts
(4) Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten. Im Übrigen gelten die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 entsprechend."
Diese Regelung bedeutet damit eine Genehmigungspflicht für Internetlinks, wenn sie nicht nur einzelne Wörter oder "kleinste Textbestandteile" enthalten und von Internetsuchmaschinen und so genannten Aggregatoren verwendet werden.
Die Verlegerverbände hatten bei der Einführung der §§ 87f, 87g Urheberrechtsgesetz zwar stets betont, dass die "Paperboy"-Freiheit für Links durch ein Verlegerleistungsschutzrecht nicht eingeschränkt werden würde.
Im Kern geht es nun aber um die Frage, ob das EUGH-Urteil mehr an Aussagen enthält als die "Paperboy"-Entscheidung. Im Urteil von 2003 ging es nur um die Frage, ob die Linksetzung Urheberrechte verletzt oder nicht. Hier lautete das Urteil in Kurzform: Nein, der bloße Link ist keine Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe des Urhebers oder des Datenbankrechts des Verlegers.
Es handelte sich aber bei "Paperboy" aber nicht um ein Urteil, das die Zulässigkeit einer neuen gesetzlichen Definition oder nationalen Rechtsprechung zur Definition der öffentlichen Wiedergabe behandelte.
Im aktuellen Urteil entscheidet der Europäische Gerichtshof, "dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen."
Das hieße bei genauer Lesart: Der nationale Gesetzgeber darf die Definition der öffentlichen Wiedergabe nicht weiter fassen, als sich aus der Richtlinie für die Informationsgesellschaft ergibt.
Was aber anderes als eine breitere, neue Tatbestände fassende Definition dessen, was eine öffentliche Wiedergabe alles darstellt, sollte der § 87g Urheberrechtsgesetz anderes sein? Er versucht schließlich zu regeln, dass bestimmte Nutzungsformen durch Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter keine zulässige öffentliche Wiedergabe ist, weil auch die Links auf ihren Seiten in das Recht des Presseverlegers eingreifen. Damit stellt der 87g Urheberrechtsgesetz aber eigentlich eine Erweiterung des Begriff der öffentlichen Wiedergabe (zu Gunsten der Presseverleger) dar, die laut EUGH aber unzulässig ist.
Die im Urteil erwähnte Richtlinie zur Informationsgesellschaft von 2001 regelt zur öffentlichen Wiedergabe:
Artikel 3
Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände
(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
(2) Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass die nachstehend genannten Schutzgegenstände drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind:
a) für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeich- nungen ihrer Darbietungen;
b) für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger;
c) für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und auf Vervielfältigungsstücke ihrer Filme;
d) für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.
Die Auflistung der Leistungsschutzrechte in Absatz 2 der Richtlinie wurde dabei bisher von deutschen Juristen als nicht abschließend interpretiert, sie stünden der Einführung weiterer Leistungsschutzrechte nicht entgegen ("kein numerus clausus für Immaterialgüterrechte"*) - die Einführung eines Verlegerleistungsschutzrechts war danach mit der Richtlinie zur Informationsgesellschaft vereinbar.
Nunmehr stellt sich die Frage, wie die Aussagen des EUGH mit diesen Ansichten vereinbart werden könnten. Wenn nationales Recht die öffentliche Wiedergabe nicht anders oder neu definieren kann, wieso kann dann der nationale Gesetzgeber Leistungsschutzrechte einführen, die letztlich neu oder weiter definieren, was (noch) eine zulässige öffentliche Wiedergabe ist, wie es in § 87g Urheberrechtsgesetz geregelt wird, darf gefragt werden.
Die Bewertung durch führende Urheberrechtler und die Lobbyisten pro und contra Leistungsschutzrecht bleibt freilich abzuwarten.
EUGH, Urteil vom 13. Februar 2014 (C-466/12)
Michael Hirschler, hir@djv.de
*Ohly in Festschrift Schricker 2005, zitiert nach Emese Szilagyi, Leistungsschutzrecht für Verleger?