Staatsanwaltschaft Berlin
Auf dem rechten Auge blind?
Ein bemerkenswerter Vorgang: Die Generalstaatsanwältin von Berlin hat die Ermittlungen zu rechtsextremistischen Gewalttaten an sich gezogen. Ein ermittelnder Staatsanwalt soll befangen gewesen sein.
Dem Staatsanwalt, der nicht mehr ermitteln darf, wird zu große Nähe zur rechtsextremen Szene in Berlin vorgeworfen. Deshalb hat die oberste Ermittlerin der Hauptstadt mit Rückendeckung des Justizsenators die Fälle an sich gezogen. Dabei geht es um Brandstiftungen im Stadtteil Neukölln, als deren Verursacher Nazis gelten. Die Generalstaatsanwältin hat die Notbremse gezogen und begegnet damit dem in letzter Zeit häufiger geäußerten Vorwurf, ihre Behörde sei auf dem rechten Auge blind.
Probleme mit Rechtsextremisten haben in Berlin auch Journalisten, wie am vergangenen Wochenende wieder zu beklagen war. Schlimm und gefährlich sind die Zusammenstöße auf Demonstrationen, widerlich und abstoßend die Zuschriften, die zuweilen bei Journalisten und in Redaktionen eingehen. So im Juni in der Berliner Bundesgeschäftsstelle des DJV als Reaktion auf die taz-Kolumne zur Polizei. Am Abend des 22. Juni traf die Mail einer Ines S. ein, in der es hieß: "Ihr widerwärtigen, ekelerregenden Hetzer, zukünftig müsst ihr euch nicht wundern, wenn Polizisten sich einfach umdrehen und euresgleichen keine Hilfe mehr in Notsituationen leisten. Stinkendes, erbärmliches Hetzerpack.Was habt ihr Primaten mit Journalismus zu tun?" Und weiter: "Ich verachte Euresgleichen, mit tiefstem Hass."
Eigentlich ein typischer Fall für den Papierkorb - wenn die Verfasserin nicht am Mittag des 23. Juni angerufen und ihre Beschimpfungen telefonisch wiederholt hätte. Sie gab sich als Mutter eines Polizisten aus. Ob das stimmte? Ob sie wirklich Ines S. hieß? Nur eine Frage ließ sich klar beantworten: Das war kein einmaliger Ausrutscher dieser Person. Denn am 25. Juni schickte sie die nächste Mail ab: "Sobald es keine Polizei mehr geben würde, wüsstet ihr armseligen rotlackierten Faschisten, was mit euch geschehen würde. Dreckspack." Und weiter: "Ab auf die Müllhalde mit euch Hilfs Goebbels und Sudel Edes."
Zu der Zeit wurde Anzeige wegen Beleidigung erstattet. Mehr als einen Monat später, am 29. Juli, schickte eine Staatsanwältin Eppert ihre Antwort. Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat lägen nicht vor, die besagten E-Mails seien "von dem Recht auf Meinungsäußerung gedeckt".
Übelste Beleidigungen als freie Meinungsäußerung? Ehrlicher wäre gewesen, die Staatsanwältin hätte geschrieben: "Ich habe keine Lust, mich mit dem Fall zu befassen."
Ein Kommentar von Hendrik Zörner