Equal Pay Day
Arbeitnehmerähnliche und "voll" Freie von Entgelttransparenz ausgeschlossen
Der Gesetzgeber in Deutschland unternimmt nichts - müssen die Freien jetzt selbst handeln?
Seit 2018 können Mitarbeiter bei ihren Firmen Auskunft über die Vergütungen vergleichbarer Beschäftigter verlangen. Das gilt jedenfalls für Firmen mit mehr als 200 Beschäftigten. Ziel der Regelung: Dadurch soll die Ungleichheit bei der Bezahlung beendet werden.Arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter und auch "voll" Freie sind allerdings ausgeschlossen. Das ist schon deswegen besonders ärgerlich, weil ein regierungsinterner Entwurf die arbeitnehmerähnlichen Personen ursprünglich als Beschäftigte im Sinne des Gesetzes eingestuft hatte - in der Schlussfassung fehlten sie dann. Angesichts der hohen Zahl arbeitnehmerähnliche Personen in der deutschen Medienindustrie - allen voran die Rundfunkanstalten - handelt es sich bei diesem Wegfall um eine eindeutige Rechtsverweigerung durch die Bundesregierung.
Die Ausklammerung arbeitnehmerähnlicher Personen wie auch gänzlich frei Tätiger scheint auch mit dem internationalen und europäischen Arbeitsrecht sowie deutscher Gesetzgebung wie etwa dem Antidiskriminierungsgesetz schwerlich vereinbar. Aus den Grundregeln der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Maßgeblichkeit die Bundesrepublik für die eigene Gesetzgebung anerkannt hat, folgt schon seit langem, dass der Begriff des Beschäftigten weit auszulegen ist und jede arbeitende Person erfassen soll. Das folgt schon daraus, dass oft nur der Begriff des Beschäftigten verwendet wird, der wiederum in vielen Publikationen der Internationalen Arbeitsorganisation sehr weit definiert wird.
Die Gleichheit des Entgelt wurde bereits gefordert von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Artikel 2 des Übereinkommens 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit von 1951 (!). Auch dort ist die Anwendbarkeit der Regeln nicht allein auf offiziell als Arbeitnehmer anerkannte Personen begrenzt worden.
Auch Artikel 4 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) hat klare Vorgaben zur Entgeltgleichheit aufgestellt.
Die §§ 1, 2 Absatz 1 Nr.2 Allgemeines Gleichstellungsgesetz (AGG) stellen zudem das Verbot der geschlechtsbezogenen Benachteiligung beim Arbeitsentgelt auf. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass nach § 6 Absatz 1 Nr. 3 Allgemeines Gleichstellungsgesetz (AGG), das Gesetz auch für arbeitnehmerähnliche Personen gilt.Doch was sind Übereinkommen, Richtlinien und Gesetze wert, wenn es keinen wirksamen Rechtsbehelf zur Umsetzung gibt? Wenn arbeitnehmerähnliche Personen von wirksamen Mitteln zur Herstellung der Lohngleichheit ausgeschlossen werden? Wenn sie im letzten Moment aus Regierungsentwürfen herausgeworfen werden?
Es könnte daher argumentiert werden, dass arbeitnehmerähnliche Personen einen Anspruch auf einen wirksamen Rechtsbehelf haben, der sich aus Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergibt, mithin nicht vom Entgelttransparenzgesetz ausgeschlossen werden dürfen. Und, selbst wenn ein Ausschluss dennoch rechtlich möglich sein sollte, gilt es politisch zu hinterfragen, warum arbeitnehmerähnliche Personen, die oft die gleiche Tätigkeit wie Angestellte ausüben, keinen Auskunftsanspruch haben dürfen.
Das gilt auch, weil die sozioökonomischen Daten der Berufsgruppe zeigen, wie schutzbedürftig diese Gruppe von Beschäftigten ist: "Als Unternehmer oder auch Kleinstunternehmer im Sinne von Definitionen der Europäischen Union ist praktisch kein freier Journalist anzusehen. 99 Prozent haben keinen oder maximal einen Beschäftigten. Mehr als ein Viertel arbeitet fest frei. Rund 13 Prozent bezeichnen sich als Pauschalisten, 9 Prozent als arbeitnehmerähnliche Journalisten. Jeder 9. freie Journalist ist ein verkappter Arbeitnehmer, der von seinem Arbeitgeber zur Vermeidung von Sozialabgaben und/oder arbeitsrechtlichen Pflichten als freier Mitarbeiter bezeichnet wird. (....)" (DJV-Umfrage Auswertung 2014)
In Frankreich gelten freie Journalisten schon seit Jahrzehnten per Gesetz als Personen, die Arbeitnehmern bei der Bezahlung und Sozialleistungen gleichzustellen sind. Das so genannte "Loi Cressard"-Gesetz verlangt, dass freie Journalisten das Gehalt von Angestellten erhalten müssen, umgerechnet auf ihre Arbeitszeit. Wer also etwa einen Tag pro Woche frei arbeitet, muss 1/5 des Redakteurgehalts erhalten. Eine recht gute Regelung, die in den 70ern vom gaullistischen Politiker Cressard erkämpft wurde, dessen Vater ein schlecht verdienender freier Journalist gewesen war.
Anteilige, faire Honorare, nicht nur für arbeitnehmerähnliche Personen, sondern alle Freien, alles das erscheint dagegen im Deutschland des Jahres 2018 so schwierig durchsetzbar wie ein Auskunftsrecht gegenüber Arbeitgebern, was die Honorarhöhen angeht. Dennoch sollte die Forderung weiter erhoben werden - vielleicht gibt es demnächst einmal einen Musterprozess von Freien, die es wissen wollen.
Michael Hirschler, hir@djv.de