Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

Kritik an Journalisten

Antwort an Rezo

25.05.2020

Lieber Rezo, wir hatten dir ja an dieser Stelle erst vor Kurzem zum Henri-Nannen-Preis gratuliert, mit dem du als Journalist geehrt wurdest. Nun machst du etwas, von dem du meinst, es sei ein Tabu: Journalisten kritisieren. Das ist es natürlich nicht und war es auch nie. Kritik und Kaffee sind die zwei täglichen „K“ des Journalismus. Deine Kritik: In deiner „Zeit“-Kolumne bist du der Meinung, Kollegen der „Bild“ hätten sich nicht  korrekt gegenüber dem Rapper Sido verhalten. Du schreibst weiter, der Deutsche Journalistenverband (DJV) habe auch auf deine Nachfrage hin im Verhalten der Kollegen keinen Fehler erkennen können. Deshalb erlaube uns eine kurze Antwort. 

 

Schauen wir uns an, was du konkret kritisierst: Du wirfst „Bild“-Reportern unethisches Verhalten beim Recherchieren am Haus des Rappers Sido vor und bemerkst – wohl hämisch gemeint –, dass „die Bild-Zeitung mal investigativ werden“ wollte. Die Reporter befanden sich auf einer öffentlichen Straße - wurden dann aber vom Rapper beleidigt und dann wohl auch von Sido handgreiflich angegriffen. Du freilich kritisierst das Verhalten der Journalisten. Du hast natürlich recht: Es gibt auch in Deutschland durch nichts zu rechtfertigende Übertritte von manchen Journalisten. Hier aber war das - nach dem, was wir wissen - nicht der Fall. Wurde Sido auf seinem Grundstück ausgespäht und belästigt? Diese Frage wäre zu klären. Darauf gibt es zunächst keine Hinweise. Damit eins klar ist: Wir stehen als Journalisten-Verband für eine saubere Arbeitsweise. 

 

Hartnäckig aufzutreten ist dabei aber manchmal wichtig, um Erkenntnisse zu erlangen. Carl Bernstein, einer der beiden Watergate-Enthüller erklärte, was Reporter tun müssten, um Antworten zu erhalten. Sein Rezept: „Einfach immer weitermachen, Klinken putzen und ein „Nein“ als Antwort nicht akzeptieren.“ Wäre eine Recherche beendet, wenn ein Interview abgelehnt oder eine Anfrage nicht beantwortet wird, hätten Journalisten sicher ein netteres Image. Aber Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen wären inhaltsleerer und niemals mehr würde ein Skandal aufgedeckt. Dass es hierbei nicht um einen Politiker oder Wirtschaftsboss, sondern um einen Prominenten geht, der bisweilen mit grenzwertigen Äußerungen auffällt, ist eine Frage des Geschmacks, nicht nach der Wertigkeit von Journalismus. Es soll ja auch YouTuber geben, die sich mit Politik und Journalismus beschäftigen und dabei auch hartnäckig und hämisch Kritik verteilen. Übrigens: Dass Sido antisemitisch konnotierte Verschwörungsmythen reproduziert und in seine große, oft jugendliche Zielgruppe trägt, dass „reiche und mächtige Menschen“ Kinder verschwinden ließen, die Medien unterwanderten - das bedarf der Aufklärung auch durch wachsame, und, ja, Rezo: hartnäckige Journalisten.

 

Du schreibst in der Kolumne, dass du als „vertrauenswürdige Kontrollinstanz gegenüber der Presse“ angesehen wirst. Da bist du übrigens ja nicht ganz alleine: Regelmäßig üben etliche Medienjournalismus-Kollegen und hartnäckige Watchblogs wie „Übermedien“ Manöverkritik für etablierte Medienhäuser. Die „Bild“ hat übrigens mit „Bildblog“ ein eigenes.

 

Du beklagst aber, dass unser Berufstand einen Vertrauensverlust erleide, wenn sich Journalisten nicht „gegenseitig als Kontrollinstanz immer wieder hart angehen“. Insofern müssen wir dir erneut danken, dass du etwas unternimmst, um Vertrauen zurückzugewinnen. Jede Kritik ist im Journalismus immer richtig, wichtig – und willkommen.

Dass der Journalismus ein Vertrauensproblem hat, stimmt dabei leider. In der Tat wäre dein Einsatz für die Vertrauensbildung in den Journalismus gar nicht so dringend nötig gewesen, wie du das in deiner Kolumne unterstellst. So gibt es in den jüngsten Umfragen etwa gute Noten von Lesern, Zuschauern und Nutzern für die Corona-Berichterstattung,  bei den Zeitungslesern sind es übrigens 96 Prozent, die die Berichterstattung für besonders verlässlich halten – und da wir wissen, dass du nicht gerne Papier rascheln hörst beim Lesen: Mit Zeitung sind schon seit langem auch die digitalen Ausgaben gemeint. 

 

„Ich hätte Bock drauf“, schreibst du, Rezo, nach klaren und transparenten Regeln für Journalisten. Und natürlich weißt du, dass es die bereits gibt – den Pressekodex und die äußerst sorgfältig arbeitende Institution des Presserats, die einen ausführlichen Jahresbericht erstellt – lies doch mal rein! Freilich schreibst du, dass du schon im Vorwege glaubst, dass er falsch entscheiden werde im Falle einer Beschwerde, „weil Sido ja eine Person des öffentlichen Lebens ist und blablabla“. Ja, für Personen des öffentlichen Lebens wie Angela Merkel oder Sido gelten andere Regeln als für „Otto-Normalverbraucher“. Denn sie bewegen sich regelmäßig in der Medienwelt, nutzen sie gar, um mehr Aufmerksamkeit zu erfahren oder auch Geld zu verdienen. Was sie tun, wird gehört - und bedarf der Kontrolle durch die Medien. Aber wenn dir die Kriterien des Pressekodex nicht gefallen, oder du sogar die gesetzlichen Grundlagen und jahrzehntelange ausführliche Rechtsprechung zum Thema Persönlichkeitsrechte und Presse nicht in den Kram passen: Starte mit uns die Diskussion! Wir stehen bereit – und freuen uns auf die Debatte mit dir.

Ein Kommentar von Mika Beuster und Philipp Blanke
Social Media DJV-Blog
Social Media Newsmeldung DJV-Blog

Weitere Artikel im DJV-Blog

Politik-Influencer Musk
Politik-Influencer Musk

19.12.2024

Das hat uns gerade noch gefehlt

In Großbritannien mischt sich Multimilliardär Elon Musk Berichten zufolge massiv in die Innenpolitik ein. Im deutschen Bundestagswahlkampf hat er sich auch schon bemerkbar gemacht.

Mehr
Wahlrunden
Wahlrunden

18.12.2024

Wer mit wem?

Um die Wahlrunden der Spitzenpolitiker in ARD und ZDF gibt es heftigen Streit. Die Grünen sind auf der Zinne und die AfD auch. Die Auseinandersetzung geht intensiv weiter.

Mehr
Getötete Journalisten
Getötete Journalisten

13.12.2024

Wie viele sind es denn?

Je nach Medienorganisation klaffen die Zahlen getöteter Journalisten deutlich auseinander. Das schadet dem berechtigten Anliegen, für mehr Schutz zu sorgen.

Mehr
Voice of America
Voice of America

12.12.2024

Lügnerin als Wahrheitschefin

Ausgerechnet die Wahlleugnerin Kari Lake soll neue Chefin des US-Auslandssenders Voice of America werden. Das ist so überflüssig wie ein Kropf.

Mehr
Austin Tice
Austin Tice

10.12.2024

Lasst ihn frei!

Der freie Journalist Austin Tice sitzt seit 12 Jahren in syrischer Haft. Höchste Zeit, dass er frei kommt.

Mehr
Bundespressekonferenz
Bundespressekonferenz

06.12.2024

Hape Kerkeling begnadigt

Die Bundespressekonferenz macht Entertainer Hape Kerkeling ein besonderes Geschenk zu dessen 60. Geburtstag: Das Hausverbot gegen ihn wird aufgehoben. Ob er bald in Berlin vorbeikommt?

Mehr
Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz

05.12.2024

Dämme schon gebrochen?

Im öffentlch-rechtlichen Rundfunk wird darüber gestritten, ob journalistische Inhalte den KI-Programmierern überlassen werden sollen. Und in Print-Redaktionen breiten sich die Roboter heimlich, still  …

Mehr
Jagdopfer Lindner?
Jagdopfer Lindner?

03.12.2024

Medienschelte geht immer

Ist FDP-Chef Christian Lindner ein Opfer der Medien? Diesen Eindruck vermittelt Gabor Steingart, Gründer von The Pioneer und Herausgeber von Steingarts Morning Briefing. Die Medien seien im Blutrausch …

Mehr
ARD-Programm
ARD-Programm

02.12.2024

Werbung fürs Klima

Damit das Klima einen festen Platz im ARD-Programm bekommt, will der Verein "Klima vor acht" jetzt einen Werbeplatz kaufen - ein Armutszeugnis für die öffentlich-rechtlichen Programmmacher.

Mehr
"Kolumnistin" Alice Weidel
"Kolumnistin" Alice Weidel

29.11.2024

Deckel und Topf

AfD-Chefin Alice Weidel wird Kolumnistin der Weltwoche. Politisch passen sie und der Chefredakteur des Schweizer Blattes bestens zusammen.

Mehr
Israel
Israel

26.11.2024

Pressefreiheit? Kann weg

Nach Al Dschasira und Associated Press hat jetzt erstmals ein israelisches Medium Probleme mit der Regierung Netanyahu: Die Zeitung Haaretz soll weder Anzeigen noch Informationen bekommen. Wieder ein  …

Mehr
Orange Day
Orange Day

25.11.2024

Medien müssen hinsehen

Am heutigen Orange Day, dem Internationalen Aktionstag gegen Gewalt an Frauen, wird viel über das Thema geschrieben und gesendet. Und wenn der Aktionstag vorüber ist? Wir Journalisten dürfen nicht zur …

Mehr
Kennzeichnungen
Kennzeichnungen

20.11.2024

Werbung ist Werbung

Warum kennzeichnen Zeitungen und Zeitschriften kommerzielle Angebote nicht durchweg als "Werbung"? Stattdessen wird immer häufiger gern von "Verlagsangeboten" geschrieben - und dabei übersehen, dass d …

Mehr
Trump und die Presse
Trump und die Presse

15.11.2024

Zieht euch warm an

Alle vier Jahre grüßt das Murmeltier. Oder Donald Trump. Wer hätte gedacht, dass der Ex-US-Präsident noch einmal als Kandidat antreten wird? Und wer hätte gedacht, dass dieser Kandidat die Wahl gewinn …

Mehr
Koalitions-Aus
Koalitions-Aus

07.11.2024

Ende zur Unzeit

Das Ende der Ampelkoalition kommt für uns Journalisten zur Unzeit. Wichtige Gesetzesvorhaben liegen jetzt wieder auf Eis. Das Nachsehen hat die Qualität des Journalismus.

Mehr
US-Wahl
US-Wahl

05.11.2024

Despotie zum zweiten?

Heute entscheiden die Wählerinnen und Wähler in den USA darüber, wer für die nächsten vier Jahre ins Weiße Haus einzieht. Vom Ausgang der Wahl hängt viel ab - auch für die Journalistinnen und Journali …

Mehr
Wahlen
Wahlen

01.11.2024

Wie gut wir es doch haben

In den USA tobt wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl eine mediale Schlammschlacht. CNN und Fox News überbieten sich gegenseitig mit Polemiken über Kamala Harries und Donald Trump. Und in der Öffen …

Mehr
Journalistenbefragung
Journalistenbefragung

30.10.2024

So sind wir wirklich

Eine großangelegte Studie zum Journalismus in Deutschland hat die TU Dortmund durchgeführt. Rechtsextreme versuchen bereits, daraus Honig zu saugen.

Mehr
US-Wahlempfehlungen
US-Wahlempfehlungen

29.10.2024

Wo die Erde bebt

Weil die Washington Post auf Geheiß von Eigentümer Jeff Bezos keine Wahlempfehlung vor der US-Präsidentschaftswahl abgibt, laufen ihr die Abonnenten in Scharen davon. Der erste spektakuläre Fall, bei  …

Mehr
Ministerpräsidentenkonferenz
Ministerpräsidentenkonferenz

28.10.2024

In die Büsche geschlagen

Die Ministerpräsidenten haben mit ihren Entscheidungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor allem eines gezeigt: dass sie kein medienpolitisches Rückgrat haben. Blamabel.

Mehr