Mitglied werden
Login Logout Mitglied werden
Warenkorb

Gewalt gegen Journalist*innen

Angriffe auf die Demokratie

24.05.2022

Gewalt gegen Journalist*innen. Foto: Reuters.

Der Berliner Verfassungsschutz widmet in seinem jetzt vorgestellten Jahresbericht der Gewalt gegen Medienschaffende ein Sonderthema. Ein Weckruf für die Politik?

Beschimpfungen, Drohungen, Schläge, Tritte gegen Journalist*innen: Das Jahr 2021 war kein gutes für die Pressefreiheit in Deutschland. Die Verachtung, der Hass und die Gewalt gegen Journalist*innen seien "nicht weniger als ein Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit", warnt der Berliner Verfassungsschutz auf den acht Seiten des Sonderthemas "Journalistinnen und Journalisten im Fokus von Verfassungsfeinden" in seinem Jahresbericht. Der Nachrichtendienst verweist unter anderem auf die Dokumentation des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) mit 95 dokumentierten Angriffen auf Medienschaffende bis November 2021. Laut ECPMF wurden 2021 so viele Attacken gegen Journalist*innen erfasst wie noch nie seit Beginn der Zählung 2015 – ein schlimmer Negativrekord.

Die Angriffe kamen und kommen laut ECPMF und Berliner Verfassungsschutz vor allem aus der rechten Szene. "Es ist ein erklärtes Ziel dieses Spektrums, etablierte Medien zu diskreditieren und zu attackieren." Das Feindbild der angeblichen "Lügenpresse" findet dabei vor allem auf den Demos gegen die Corona-Maßnahmen gewalttätigen Ausdruck. "Innerhalb dieser Proteste hat sich eine neue verfassungsfeindliche Szene entwickelt, deren Ziel es ist, die freiheitliche Grundordnung zu delegitimieren und zu destabilisieren", so der Bericht. Das Ziel sei es, das Vertrauen der Bevölkerung in etablierte Medien zu untergraben: "Verfassungsfeinde nutzten diese Entwicklung, um jenseits der etablierten Medien eigene Informationskanäle aufzubauen und dort ‚alternative Fakten‘ zu verbreiten."

Der Berliner Verfassungsschutz zieht ein klares Fazit: "Ein ganzer Berufszweig soll dadurch in Misskredit gebracht werden. Die Verachtung und der Hass, der Medienschaffenden entgegenschlägt, ist nicht weniger als ein Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit. Für eine freiheitliche Demokratie ist das nicht hinnehmbar." Dem ist nichts hinzuzufügen. Falls die Politik noch einen Aufruf gebraucht hat, um zu handeln und damit die Ampel-Regierung ihre diesbezüglichen Versprechen aus dem Koalitionsvertrag in die Tat umsetzt – sie haben jetzt auch die nachrichtendienstliche Bestätigung des Problems.
 

Ein Kommentar von Paul Eschenhagen

Transparenzhinweis (25.5.2022, 16 Uhr): In einer früheren Version wurde die vom Berliner Verfassungsschutz genannte Zahl von 95 vom ECPMF dokumentierten Fällen infrage gestellt und auf die Studie "Feinbild Journalist 6" verwiesen: "Der Nachrichtendienst verweist unter anderem auf die Dokumentation "Feindbild Journalist" des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF). Für 2021 hat das ECPMF 83 gewaltsame Angriffe verifiziert. Und allein bis zum 1. März 2022 wurden nochmal 22 Fälle pressefeindlicher Gewalt registriert. Unklar bleibt allerdings, wie der Berliner Verfassungsschutz zu der in seinem Jahresbericht genannten Zahl von bis einschließlich November 2021 95 vom ECPMF gezählten Übergriffen auf Medienschaffende in Deutschland kommt." Das ECPMF hat mittlerweile auf Twitter bestätigt, dass beide Zahlen korrekt sind und durch eine unterschiedliche Datenbasis zustande kommen.

DJV-Blog

Weitere Artikel im DJV-Blog

Charlotte Merz
Charlotte Merz

15.05.2024

Die Richterin und das Grundrecht Pressefreiheit

Mit ihrem resoluten Vorgehen gegen einen ZDF-Reporter offenbart Richterin Charlotte Merz ein fragwürdiges Verhältnis zum Grundrecht der Pressefreiheit.

Mehr
STREIK BEIM WDR
STREIK BEIM WDR

07.05.2024

Gier auf Kosten der Freien

Dass Medienunternehmen in Tarifverhandlungen knauserig sind, ist nicht neu. Dass manche von ihnen erst durch Arbeitskämpfe zu besseren Angeboten zu bewegen sind, auch nicht. Dass aber die Honorare der …

Mehr
RAI
RAI

06.05.2024

Legt die Arbeit nieder

Beim italienischen Fernsehsender RAI wird heute gestreikt. Nicht für mehr Geld oder neue Tarifverträge, sondern gegen die Einmischungen der Regierung in die Programminhalte.

Mehr
ITALIEN
ITALIEN

26.04.2024

Hände weg von der RAI

Die Versuche der politischen Einflussnahme durch die Regierung Meloni auf den Rundfunksender RAI nehmen zu. Anfang Mai soll es deshalb einen Streik geben.

Mehr
MEDIENKRITIK
MEDIENKRITIK

25.04.2024

Til Schweiger überzieht

Im Interview mit der Zeit übt Schauspieler und Regisseur Til Schweiger heftige Kritik an einigen Medien. Das kann nach der Berichterstattung über ihn nicht verwundern. Aber bei Kritik belässt er es ni …

Mehr
WDR-RUNDFUNKRAT
WDR-RUNDFUNKRAT

24.04.2024

Zeichen gesetzt

Der Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks fordert von dem Sender rechtliche Schritte, wenn die Erhöhung des Rundfunkbeitrags von der Politik nicht zügig beschlossen wird.

Mehr
JOURNALISTEN
JOURNALISTEN

22.04.2024

Wir sind kein Klischee

Warum nur geraten Journalisten im Spielfilm so gnadenlos daneben? Weil die Drehbuchschreiber keine Ahnung vom Journalismus haben? Oder weil sich das Klischee besser verkauft als die Wirklichkeit?

Mehr
URLAUBSENTGELT
URLAUBSENTGELT

19.04.2024

Freie, aufgepasst!

Freie beim Deutschlandradio haben Anspruch darauf, dass Wiederholungshonorare für die Berechnung des Urlaubsentgelts berücksichtigt werden. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Grundsatzurt …

Mehr
TARIFKONFLIKT
TARIFKONFLIKT

17.04.2024

Hoch zu Ross

750 Beschäftigte des Westdeutschen Rundfunks hatten gestern die Nase voll und beteiligten sich am Warnstreik der Gewerkschaften. Bestätigt wurden sie von den Verhandlern der Gegenseite.

Mehr
PROSIEBENSAT.1
PROSIEBENSAT.1

16.04.2024

Berlusconi ante portas

Droht der Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 von Hauptaktionär Media for Europe übernommen zu werden? Die Medienaufsicht sollte ihren Blick schärfen.

Mehr
FERNSEHNACHRICHTEN
FERNSEHNACHRICHTEN

15.04.2024

Angekündigte Katastrophe

Mehrere Stunden lang flogen iranische Drohnen Richtung Israel. Stunden, in denen die Öffentlich-Rechtlichen ihr Programm hätten umkrempeln können. Doch bis zu Sondersendungen in ARD und ZDF vergingen  …

Mehr
SWMH
SWMH

11.04.2024

Tröpfchen-Kommunikation

Die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), zu der die Süddeutsche Zeitung gehört, tut sich schwer mit klaren und umfassenden Fakten zum geplanten Stellenabbau bei der SZ.

Mehr
ÜBERGRIFFE
ÜBERGRIFFE

09.04.2024

Nicht mehr so schlimm?

Laut Reporter ohne Grenzen ist die Zahl der Übergriffe auf Journalisten 2023 gegenüber dem Vorjahr stark gesunken. Grund zur Entwarnung? Eher nicht.

Mehr
HÖCKE-INTERVIEWS
HÖCKE-INTERVIEWS

08.04.2024

Mit Präzision begegnen

Wie lassen sich Interviews mit Thüringens AfD-Politiker Björn Höcke führen? Sollten sie überhaupt geführt werden? Damit hat sich die Süddeutsche Zeitung in einem lesenswerten Bericht auseinandergesetz …

Mehr
FÖDERL-SCHMID
FÖDERL-SCHMID

05.04.2024

Hexenjagd geht weiter

Die Universität Salzburg bescheinigt der stellvertretenden SZ-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid "kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten". Sie darf ihren Doktortitel behalten. Das sieht …

Mehr
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST
UPDATE: RUNDFUNK-MANIFEST

04.04.2024

Nah am Rand

Über das "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland" sind die notorischen Medienhasser in den Social Media aus dem Häuschen. Bei aller berechtigten Kritik an den Öffentli …

Mehr
KÖLNER STADT-ANZEIGER
KÖLNER STADT-ANZEIGER

03.04.2024

Vermarkter am Ruder

Die Online-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers soll der digitalen Produktentwicklung unterstellt werden und angeblich redaktionell unabhängig bleiben. Zweifel sind angebracht.

Mehr
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

28.03.2024

Die Leser sind nicht blöd

Zeitungsleser wollen für Inhalte, die mit KI erzeugt werden, weniger bezahlen. Das ergab eine Umfrage. Eigentlich eine klare Aussage - wären da nicht Marketingexperten, die Morgenluft wittern.

Mehr
VOICES FESTIVAL
VOICES FESTIVAL

27.03.2024

Journalismus trifft Medienkompetenz

Nur wenn Qualitätsjournalismus und Medienkompetenz zusammenspielen, kann eine Zukunft gelingen, in der der Mensch im Mittelpunkt steht, fand DJV-Vorstandsmitglied Ute Korinth in Florenz heraus.

Mehr
TELEGRAM
TELEGRAM

26.03.2024

Schluss mit lustig

Ein spanisches Gericht hat den Messengerdienst Telegram in dem Land abgeschaltet. Grund sind Verstöße gegen das Urheberrecht.

Mehr