Gemeinnütziger Journalismus
Alles, nichts - oder?
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Der gemeinnützige Journalismus braucht Rechtssicherheit. Warum das so ist, beschreibt Anne Webert, stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende.
Journalismus ist ein durchaus wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Jedenfalls, wenn man den Politikern zuhört. Sie loben die freie Presse (meist), betonen die Bedeutung der Berichterstattung (gerade im Lokalen) und plädieren für den Erhalt der Vielfalt der Medienlandschaft. Jedoch folgen diesen Worten wenig Taten. Zuwenig.
Das Geschäftsmodell der privaten Verlage mit Anzeigen und Abonnenten ist seit Jahren im Sinkflug, die Monetarisierung der journalistischen Inhalte im Internet bleibt im Wunschmodus stecken, die gesetzlich verankerte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird zum Zankapfel und Populisten-Spielball.
"Die Stärke unserer Medienlandschaft liegt in ihrer Vielfalt aus öffentlich-rechtlichem Rundfunk, privaten Medien und Verlagen und gemeinnützigem Journalismus“, so der Bundespräsident in seinem Grußwort zu den mitteldeutschen Medientagen. Er sieht gemeinnützigen Journalismus bereits als einen Teil des Informationsangebotes. Eine Zukunftsvision.
Trotz konkreter Zusage im Koalitionsvertrag ist die Entscheidung, ob gemeinnützig oder nicht, weiter der persönlichen Einschätzung des einzelnen Finanzbeamten überlassen, da der Begriff "Journalismus" in der Abgabenordnung mit Abwesenheit glänzt.
Studien anderer Länder zeigen nicht nur, wie sehr die Demokratie unter einer ausgedünnten, nicht funktionierenden Presselandschaft leidet, sondern auch, dass gemeinnütziger Journalismus funktioniert. Dort, wo das Geschäftsmodell der Verlage scheitert, Redaktionen ausgedünnt und aufgelöst werden, wächst der Bedarf an unabhängiger Recherche und Berichterstattung.
Gemeinnützig handelt in der Definition der Abgabenordnung, wessen "... Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern".
Dabei bedeutet Gemeinnützigkeit nicht, dass der Staat diese Projekte finanziert oder inhaltlichen Einfluss darauf nimmt. Sie erhöht aber die Spendenbereitschaft durch Leser und ermöglicht die Zuwendung durch Stiftungen. 23.000 Stiftungen in Deutschland fördern Gesellschaft und Demokratie, die meisten sind laut Satzung verpflichtet, nur gemeinnützige Projekte zu begünstigen - damit fällt Journalismus bislang automatisch raus.
Gemeinnützige Journalismusangebote wie die Relevanzreporter (Nürnberg), KONTEXT (Stuttgart) oder Karla (Konstanz) arbeiten dort, wo private Medienunternehmen sich aufgrund schlechter wirtschaftlicher Möglichkeiten zurückgezogen haben. Sie stehen also nicht in Konkurrenz zu diesen, sondern ergänzen das Angebot vor Ort.
Das Forum Gemeinnütziger Journalismus kämpft für die Anerkennung und Rechtssicherheit und hat ein Siegel erarbeitet, das mithilfe von Pressekodex, Selbstlosigkeit und Transparenzforderungen die Gemeinnützigkeit als solche kennzeichnet. So wird Bürokratie und Arbeit in den betrauten Finanzämtern abgebaut. Mit der Petitionsplattform Innn.it wurden über 50.000 Unterschriften für das Anliegen gesammelt und an Bundestagsabgeordnete übergeben. Mit im Gepäck: der Entwurf eines Gesetzes, das die Abgabenordnung um den Zweck "Journalismus" ergänzt: "25. die Förderung des Journalismus durch die Förderung, Herstellung und Verbreitung journalistischer Inhalte, die der parteipolitisch neutralen Information, Aufklärung und Meinungsbildung der Allgemeinheit dienen.“ Da der vom Bundesfinanzministerium vorbereitete Anwendungserlass zur Einordnung des gemeinnützigen Journalismus unter dem Zweck "Bildung" unerwartet an der Mehrheit der Landesfinanzbehörden scheiterte, ist dies nun der aktuell richtige und wichtige Schritt. Die freie Presse ist wichtig für die Demokratie. Nicht nur als Lippenbekenntnis und Wahlkampffloskel.
Ein Kommentar von Anne Webert