NSU 2.0-Prozess
Alles nicht so schlimm
Deniz Yücel: Übel beschimpft. Foto: Die Welt
Beleidigungen und Drohungen im Gerichtssaal sind einer Richterin offenbar egal. Im NSU 2.0-Prozess musste die Juristin erst von der Staatsanwaltschaft aufgefordert werden, wüste Verwünschungen des Angeklagten zu protokollieren.
Bei dem Verfahren geht es um Beleidigungen und Drohungen, die der Angeklagte gegen Prominente per Mail geschickt haben soll. Betroffene sind unter anderem der hessische Ministerpräsident, der Innenminister, Linken-Politikerin Janine Wissler, die Redaktion von Maybrit Illner und "Welt"-Journalist Deniz Yücel. Um die Drohungen gegen ihn ging es gestern im Gerichtssaal. Als Yücel den Angeklagten fragte, ob er noch weitere Drohmails an ihn geschickt habe, erntete er eine Zurechtweisung der Richterin. Er solle Unterstellungen unterlassen. Darauf stieß der Angeklagte gegen Yücel aus: "Wenn ich könnte, würde ich ganz andere Sachen mit Ihnen machen." Weitere Verwünschungen von ihm waren nur teilweise zu verstehen. Aber die hatten es in sich, wie die Süddeutsche Zeitung schildert: "Mistmade", "Stück Scheiße".
Und die Richterin? Musste erst von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage aufgefordert werden, die Beleidigungen zu protokollieren. Ob sie überfordert ist? Oder ob ihr die Einsicht in die Bedeutung solcher Äußerungen und womöglich des ganzen Verfahrens fehlt? Hassmails und Drohungen gegen Journalisten sind weder freie Meinungsäußerungen noch Bagatellen, die man nicht so wichtig nehmen muss. Sie sind ein Angriff auf das Grundrecht der Pressefreiheit und damit auf die Demokratie insgesamt. Wenn die Richterin das nicht begreift, muss ihr der Prozess entzogen werden, und zwar sofort.
Ein Kommentar von Hendrik Zörner