#StopptFakeNews
Die politischen Forderungen des Deutschen Journalisten-Verbands
1.) Europäisches soziales Netzwerk
Die digitale Öffentlichkeit wird derzeit von amerikanischen und chinesischen Plattformen dominiert. Diese Unternehmen kontrollieren den Zugang zu Informationen, setzen intransparente Algorithmen ein und gefährden mit ihrer Marktmacht die Meinungsvielfalt. Europa muss sich dieser Abhängigkeit entziehen und seine digitale Souveränität stärken.
Daher sollte ein europäisches soziales Netzwerk geschaffen werden, das auf demokratischen Werten, Datenschutz und Transparenz basiert. Eine solche Plattform muss unabhängig von kommerziellen Interessen agieren, Algorithmen offenlegen und europäische Datenschutzstandards sowie Urheberrechte konsequent einhalten.
Ein europäisches Netzwerk stärkt die Pressefreiheit, sichert journalistische Inhalte vor fremdgesteuerter Manipulation und fördert eine vielfältige, werbefreie Diskussionskultur. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen jetzt handeln, um die digitale Öffentlichkeit nicht länger allein profitorientierten Konzernen zu überlassen.
2.) Plattformen in die Verantwortung nehmen
Große Online-Plattformen wie TikTok, Facebook oder X verbreiten algorithmisch gesteuerte Inhalte ohne journalistischen Qualitätsanspruch - fernab jeglicher Gemeinwohlorientierung. Im Vordergrund steht stattdessen die Maximierung von Klickzahlen, die sich über Werbung monetarisieren lässt. Dementsprechend sind die Algorithmen darauf ausgerichtet, die Aufmerksamkeit der Menschen zu erregen. Stark vereinfachte Inhalte bis hin zu Fake News, die skandalisieren und emotionalisieren, verbreiten sich besser und schneller als komplexe oder unangenehme, die Selbstreflexion anregende Wahrheiten. Sensationalismus und Desinformation, Polarisierung und Propaganda, Wirklichkeitsverzerrung und Echokammern und der Aufstieg von Populist:innen ist der dabei entstehenden Kollateralschaden.
Um diesen Kreis zu durchbrechen, müssen Gesetzgeber:innen und Behörden die großen Online-Plattformen stärker in die Pflicht nehmen.
a) Bestehende Regeln konsequent durchsetzen
Bestehende Regeln, die Desinformation verhindern sollen, müssen konsequent durchgesetzt werden. So haben Medienintermediäre, die soziale Netzwerke anbieten, gemäß § 93 Abs. 4 MStV dafür Sorge zu tragen, dass automatisierte Social-Bots in sozialen Netzwerken entsprechend als solche gekennzeichnet werden. Es muss transparent werden, dass hinter einem Account, der eine Vielzahl von Desinformationen verbreitet, kein Mensch, sondern ein Computerprogramm steckt.
b) Mit neuen Regeln größere Verantwortlichkeit zuweisen
Daneben sollten Gesetzgeber:innen den großen Online-Plattformen größere Verantwortlichkeit zuweisen, entsprechend ihrer Marktmacht und ihres Einflusses auf die Gesellschaft.
Das Haftungsprivileg aus Art. 8 DSA für sehr große Online-Plattformen (VLOPs) sollte abgeschafft oder stark eingeschränkt werden. Redaktionen haften in vollem Umfang für ihre Inhalte - auch wenn es sich um nutzergenerierte Inhalte handelt - während sich Online-Plattformen auf das Host-Provider-Privileg berufen können.
Die Plattformen sollten verpflichtet werden volle Transparenz über ihre Algorithmen herzustellen. Nutzer:innen müssen wissen, nach welchen Kriterien Algorithmen Inhalte auswählen, personalisieren und anzeigen. Die Nutzer:innen müssen diese Kriterien ändern oder deaktivieren können. Auch Außenstehende müssen die Verbreitungskriterien erkennen können, um Manipulation und Wahlbeeinflussung zu erkennen und zu verhindern. Eine unabhängige Aufsichtsbehörde sollte den Umgang mit Daten, Personalisierung und Algorithmen überwachen und Beschwerden von Nutzern und Verbänden entgegennehmen.
Trotz algorithmischer Verbreitung und zunehmender Personalisierung muss für die gesamte EU sichergestellt werden, dass journalistische und redaktionell aufbereitete Inhalte weiterhin angezeigt werden (Beförderungs-/ Must-Carry-Pflicht und Diskriminierungsverbot). Journalistische Inhalte dürfen nicht entfernt oder diskriminiert werden, solange sie keine illegalen Inhalte enthalten. Im digitalen Zeitalter ist es wichtig, dass auch unbequeme Wahrheiten die Menschen erreichen.
3.) Journalismusförderung
Unabhängiger und professioneller Journalismus spielt eine entscheidende Rolle im Kampf gegen Desinformation und Fake News. Qualitätsjournalismus ist aber in den letzten drei Jahrzehnten zunehmend zum Verlustgeschäft geworden. Medienunternehmen stehen unter finanziellem Druck, da die Werbeeinnahmen zunehmend von großen Plattformen wie Google und Facebook abgegriffen werden. Die einen produzieren die Inhalte, die anderen vermarkten sie. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Die Gesetzgeber:innen sollte deshalb Instrumente des Steuerrechts, des Urheberrechts und des Wettbewerbsrechts etablieren und umsetzen, um dem Marktversagen entgegenzuwirken.
Eine Digitalsteuer für Tech-Giganten (wie Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft) nach dem Vorbild Frankreichs könnte zusätzliche Einnahmen generieren, um eine Journalismusförderung zu finanzieren.
Ein starkes Urheberrecht stärkt die finanzielle Situation für Journalist:innen. So darf etwa das Training von Modellen generativer KI mit geschützten Werken nicht länger ohne Zustimmung und Vergütung der Urheber:innen erfolgen.
Die Wettbewerbsbehörden müssen das nationale Recht konsequent durchsetzen. Das Bundeskartellamt könnte über § 19a Abs. 2 Nr. 2 b) Alt. 2 GWB die Plattformanbieter verpflichten, Outlinks zu ermöglichen. Gleiches gilt für die Abschaffung der aktiven Traffic-Manipulation und die Sanktionierung des Self-Preferencing. Verkehrsmanipulation könnte eine Bündelungsstrategie nach § 19a Abs. 2 Nr. 3 a) GWB sein. Auch das Potenzial von DSA und DMA wird noch nicht ausreichend ausgeschöpft.
4.) Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk trägt maßgeblich zu einem konstruktiven gesellschaftlichen Diskurs bei und ist ein unersetzlicher Bestandteil der Demokratie. ARD, ZDF und DLR liefern verlässliche Informationen und ausgewogene Berichterstattung und erreichen damit täglich Millionen von Bürger:innen im ganzen Land. Dies ist besonders wichtig in Zeiten, in denen für private Medien Qualitätsjournalismus zum Verlustgeschäft geworden ist und über Plattformen Hass, Hetze und Desinformation weitgehend ungebremst verbreitet werden. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind als eine der wenigen Medienhäuser nicht unmittelbar abhängig von wirtschaftlichen Zwängen und müssen sich deshalb auch weniger nach Vorgaben richten, die ihnen Dritte, insbesondere Medienintermediäre machen. Somit ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk robuster gegenüber Einflüssen und somit ein Garant für Qualitätsjournalismus und die Demokratie, selbst in bewegten und unruhigen Zeiten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf deshalb nicht, auch und insbesondere nicht durch eine Unterfinanzierung, geschwächt werden, sondern muss mit Blick auf die Gefahren durch Desinformation auf die Demokratie weiterhin gestärkt werden.
5.) Stärkung der Medienkompetenz
Gerade in Zeiten der Digitalisierung ist es von großer Bedeutung, dass die Menschen wissen, wie sie Nachrichten kritisch hinterfragen können. Eine der effektivsten Maßnahmen ist die frühzeitige und systematische Einbindung von Medienkompetenz in die Lehrpläne an Schulen und Hochschulen. Medienkompetenz muss als fester Bestandteil der Bildungspolitik betrachtet werden.
Der Gesetzgeber kann darüber hinaus Fact-Checking-Initiativen stärker fördern sowie die Forschung im Bereich Medienkompetenz und Desinformation, um neue Erkenntnisse und Best Practices für den Umgang mit der digitalen Informationsflut zu gewinnen.
6.) Unterstützung von Faktenchecks und zivilgesellschaftlichen Organisationen
Die Überprüfung von Fakten ist ein unverzichtbarer Grundpfeiler im Kampf gegen Desinformation und für den Schutz unserer demokratischen Gesellschaften. Faktenchecker:innen spielen eine entscheidende Rolle, indem sie Inhalte bewerten und verlässliche Informationen bereitstellen, die das Vertrauen der Öffentlichkeit stärken. In einer Zeit, in der Falschinformationen zunehmend die öffentliche Meinung manipulieren und demokratische Prozesse gefährden, ist die Förderung von faktenbasierten Inhalten dringender denn je. Die Politik sollte ein Förderprogramm auflegen, das unabhängige Faktenchecker:innen finanziell und strukturell unterstützt. Dies könnte die Bereitstellung von Mitteln für technische Infrastruktur, Ausbildung und den Zugang zu relevanten Datenquellen umfassen.